Eine moderne, in der Sprachwissenschaft anerkannte Klassifizierung von Rätseln ist uns nicht bekannt. Viele Rätselsammler haben sich in den Vorworten ihrer Rätselbücher daran versucht; die Systematiken sind jedoch weder konsistent noch einheitlich. Wir versuchen hier, ein wenig Ordnung ins Chaos zu bringen, aber ähnliches hat sich wahrscheinlich jeder Autor gedacht.
Im wesentlichen folgen wir den Definitionen der Wiener Schule, die beispielsweise von Franz Brentano, Robert Franz Arnold und Alfred Neumann verwendet wird. Die Wiener Schule definiert aber keine Systematik, sie definiert lediglich einige Rätselarten, ohne Beziehungen zwischen diesen herzustellen.
Eine ältere Systematik der Rätselarten ist in Die Geschichte des Rätsels von Johannes Baptista Friedreich zu finden. Diese Systematik erscheint uns aber eher wirr und willkürlich zu sein. Sie ist jedenfalls im Volltext hier nachzulesen.
Inhaltsverzeichnis
Bei unserer Systematik der Rätselarten folgen wir im wesentlichen der von Brentano eingeführten und von nachfolgenden Autoren verfeinerten »Wiener Schule« (siehe unten).
Zu jeder Rätselart gibt es eine eigene Seite, die die Rätselart genau definiert und mit Beispielen unterlegt, wobei die Unterarten ohne Link bei der Oberart besprochen werden:
Die Zuordnung der Rätsel zu Kategorien ist nicht eindeutig; es gibt Mischformen verschiedener Art. in solchen Fällen ordnen wir ein Rätsel mehreren Kategorien zu. Beispiele:
Speziell bei Homonymen muss von der Homonymität im Rätsel auch Gebrauch gemacht werden; der »Läufer« muss auf verschiedne Arten verschlüsselt werden, um als Homonym zu gelten.
Anmerkung: Wir haben unsere Systematik mit der Zeit verfeinert; ältere Rätsel können daher falsch einsortiert sein (beispielsweise Anagrammoide unter Logogriphe)
Vielen Bezeichnungen der Wiener Schule stimmen mit den unseren überein. Bei rein begrifflichen Unterschieden geben wir unsere Bezeichnung in eckigen Klammern an; bei inhaltlichen unterschieden werden wir auch mal etwas ausführlicher.
Bei der Wiener Schule ist von Brentano bis Bondy und weiter bis zu uns eine fortschreitende Verfeinerung der Klassifikation festzustellen, daher auch die chronologische Reihenfolge der Autoren:
Rätsel [Sinnrätsel], Homonyme, Homoionyme [Homophone, Homographe], Scharaden, Verdoppelungscharaden, Scharadoiden, Verdoppelungscharadoiden, Palindrome, Palindrome von und nach der Mitte, Buchstabenrätsel [Logogriphe], Füllrätsel, Schlingfüllrätsel.
verwendet eine wilde Mischung aus abstrakten Kategorien (Sinnrätsel, Scharaden, Logogriphe, ...) und inhaltlichen Kategorien (geographische Rätsel, geschichtliche Rätsel, Opern, ...). Jedes Rätsel in einer inhaltlichen Kategorie gehört natürlich auch einer abstrakten Kategorie an.
Einige Beispiele für abstrakte Kategorien: Akrosticha, Anagramme, Arithmogriphe, Buchstabenrätsel [Logogriphe], Scharaden, Logogriphe, Palindrome, Sachrätsel, Scherzfragen, Silbenrätsel [Scharaden], Disticha, Füllrätsel, Homonyme, Balkenrätsel, Besuchskartenrätsel, Defizitaufgaben, Diagonalaufgaben, Diamanträtsel, Ergänzungsrätsel, Kammrätsel, Kapselrätsel, Kryptogramme, Streichrätsel, Umstellrätsel, Versteckrätsel, Verwandlungsrätsel, Vorsetzrätsel, Wechselrätsel, Wortkettenrätsel, Zahlenrätsel.
Fast alle neu eingeführte Kategorien sind Unterarten von Logogriphen in unserer Klassifikation. Diese Unterteilungen haben wir nur teilweise übernommen.
haben die Klassifikation von Franz Brentano übernommen und erweitert: Sinnrätsel, Homonyme, Homoionyme, Scharaden, Scharadoiden und Buchstabenrätsel. Hinzugekommen sind drei neue Rätselarten:
Schüttelrätsel sind eine Unterart der Anagramme: Durch Umstellung meist einiger weniger Buchstaben entstehen zwei Wörter, die einen Schüttelreim bilden.
Klammerrätsel bzw. Verklammerungsrätsel: Es werden zwei Wörter umschrieben, wobei die Endbuchstaben des einen Wortes die Anfangsbuchstaben des anderen Wortes bilden. Die Buchstabengruppen müssen nicht ganze Silben sein.
Umstellrätsel ist eine Bezeichnung für Silbenpalindrome. Diese sind schon länger in Gebrauch, ihnen wurde bisher aber nie ein eigenes Kapitel gewidmet.
hat die Klassifikation von Franz Brentano übernommen und erweitert: Sinnrätsel, Homonyme, Homoionyme [Homophone, Homographe], Scharaden, Verdoppelungsscharaden, Scharadoiden, Palindrome, Buchstabenrätsel [Logogriphe], Steigerungsrätsel, Kapseln, Anagramme, Füllrätsel (Dal-Dal-Rätsel).
Neu sind die Ziffernfüllrätsel: Hier werden ein einzelnen Silben durch Ziffern dargestellt, was (anders als bei Dal-Dal-Füllrätseln) auch eine Umstellung der Silben erlaubt.
hat die Klassifikation von Franz Brentano und Alfred Neumann übernommen und erweitert:
Sinnrätsel, Homonyme, Homoionyme, Dal-dal-Rätsel [Füllrätsel], Scharaden, Verdopplungsrätsel [Verdoppelungsscharaden], Scharadoide, Kettenrätsel, Anagramme, Silbenanagramme, Anagrammoide, Buchstabenrätsel [Logogriphe], Guillotine-Rätsel, Logogriphe [Logogriphe], Kapselrätsel, Kernrätsel, Palindrome, Steigerungsrätsel.
Bei Bondys Logogriphen wird immer nur ein einziger Buchstabe verändert, es handelt sich also um eine spezielle form von Logogriphen in unserer Klassifikation.
Anagrammoide sind das Gegenstück zu Anagrammen: Während dieses sich auf den mathematischen Begriff der Permutation gründet, so fußt das Anagrammoid auf dem der Kombination. Beispiel: aus den Wörtern Vers, Rand, Sand, Stand, Rad, Rast, Rest, Star, dar, der, das, erst, Nest ist das Rätselwort Verstand (in dem alle diese Wörter vorkommen) zu erraten.
Silbenanagramme sind ein Spezialfall von Anagrammen. Es werden ganze Silben umgestellt, nicht einzelne Buchstaben; d.h. Silben werden nicht auseinandergerissen.
Guillotine-Rätsel sind ein Spezialfall von Logogriphen. Es werden zwei oder mehrere Wörter umschrieben, wobei im der Wortfolge immer ein Anfangsbuchstabe mehr weggelassen wird. Beispiel: Pfund, Fund, und.
Kapselrätsel bzw. Ausfallrätsel: Durch Wegfall eines oder mehrerer Anfangs- und Endbuchstaben (die stets ein Wort von Bedeutung sein muss) verbleibt ein Rest, der ebenfalls ein Wort von Bedeutung sein muss. Beispiel: Aug|art|en (Art, Augen). [Siehe Klammerrätsel bei Wolff]
Kernrätsel unterscheiden sich von Kapselrätseln dadurch, dass der Rest keine Wort von Bedeutung bildet. Beispiel: M|esse|r (Esse, aber das mr hat keine Bedeutung). [Siehe Klammerrätsel bei Wolff]
Kettenrätsel: Es werden zwei oder mehrere Wörter umschrieben, wobei die Endbuchstaben des einen Wortes die Anfangsbuchstaben des anderen Wortes bilden. Die Buchstabengruppen müssen nicht ganze Silben sein. Beispiel: Büro + Robe + Bedarf = Bürobedarf.
Steigerungsrätsel steigern Wörter, die nicht steigerungsfähig sind. Beispiel: Lei, Leier, Leisten.
Alfred hat ebenfalls eine ganz ähnliche Nomenklatur entwickelt:
Homonym: Gleichlautende Wörter in verschiedener Bedeutung (z. B. Schimmel = Moder, Schimmel = Pferd).
Scharade: Zerlegung von Wörtern in für sich sinnvolle Silben (z. B. Stamm, Baum, Stammbaum).
Anagramm: Umstellung von Buchstaben eines Wortes zur Bildung eines neuen (z. B. Eilpost, Pistole).
Buchstabenrätsel: Veränderung von Wörtern durch Ersetzung von Buchstaben durch andere Buchstaben (z. B. Alster, Ulster; Biene, Birne). → bei uns: Logogriph
Logogriph: Veränderung von Wörtern durch Entfernung oder Hinzufügung von Buchstaben (z. B. Salami, [Moratorium).
Palindrom: Wörter, die von vorne nach rückwärts und umgekehrt gelesen, einen gleichen oder verschiedenen Sinn haben (z. B. Neffen, Sarg, Gras).
Scharadoid: Zerlegung von Wörtern in für sich sinnvolle Teile ohne Beachtung der Silbentrennung {z. B. Pola, Reis, Polareis).
Homoionym: Gleichlautende Wörter von verschiedener Bedeutung mit Formunterschieden: Trennung des Wortes (z. B. Meineid, mein Eid); andere Betonung (z. B. blutarm, blutarm); großer und kleiner Anfangsbuchstabe (z. B. Rügen, rügen); anderer Artikel (z. B. die Steuer, das Steuer).
Kapselrätsel: Ein Wort enthält ein anderes in sich eingeschlossen (z. B. G[irland]e). → bei uns: Kernrätsel, da die Reste keine eigene Bedeutung haben
Schüttelrätsel: Reime über Kreuz (z. B. Linnenbänder, Binnenländer).
Verdopplungsscharade: Zerlegung von Wörtern in Silben, die durch Verdopplung einen Sinn haben (z. B. Ma [Mama], nen [nennen], Manen).
Verdopplungsscharadoid: Dem Scharadoid und der Verdopplungsscharade ähnlich (z. B. Is [Isis], Tar [Tartar], Istar).
Palindromoid: Rückwärtslesen der Buchstaben eines Wortes ergibt mehrere Wörter, sowie Rückwärtslesen der Buchstaben mehrerer Wörter ergibt ein Wort oder mehrere Wörter (z. B. Not, Alp, Platon). → Wir unterscheiden nicht zwischen Palindromen und Palindromoiden
Anagrammoid: Umstellung von Buchstaben eines Wortes zur Bildung mehrerer Wörter, sowie Umstellung von Buchstaben mehrerer Wörter zur Bildung eines oder mehrerer Wörter (z. B. Sinai, Besen, Abessinien). → Wir verwenden Anagrammoid in einer etwas anderen Bedeutung; Anagrammoide á la Weingarten sind bei uns schlicht Anagramme.
Dal-Dal-Rätsel (nach Franz Brentano): Ergänzung eines abgebrochenen Satzes in einer Form, die aus zwei oder mehrfach gleichlautenden Teilen besteht, deren Silbenzahl durch die Anzahl der „dal" ausgedrückt sind (z. B. »Ihr Götterl Ich kann es euch nicht verzeihen, dass ihr einen solchen dal dal = Schuft schuft«). → bei uns nach Brentano: Füllrätsel
Steigerungsrätsel: Komparativ oder Superlativ von Wörtern ergeben einen anderen Sinn (z. B. Kleist, Kleister).
hat in Geschichte des Räthsels eine Klassifikation eingeführt, an die sich viele ältere Autoren mehr oder weniger gehalten haben [unsere Bezeichnungen in eckigen Klammern]:
Man sieht sofort, dass die die Begrifflichkeiten von der Klassifikation der »Wiener Schule« deutlich unterscheidet und teilweise inkonsistent ist (Buchstabenversetzung =? Anagramm). Friedreich versteht beispielsweise unter Anagramm ein Palindrom, das vorwärts und rückwärts verschiedene Bedeutungen hat (Neger, Regen); bei einem (echten?) Palindrom sind die Begriffe identisch (stets, rar, neben).
Die Unterschiede sind so gravierend, dass wir sie hier nicht ausführlich behandeln wollen, man kann Friedreichs Definitionen in Geschichte des Rätsels nachlesen.