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Rätselgedichte, Rätselreime

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Sprache der Dichtkunst

von Karl Heinrich Ludwig Pölitz

Das Gesammtgebiet der teutschen Sprache, nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt

Dritter Band: Sprache der Dichtkunst

J. C. Hinrich'sche Buchhandlung,
Leipzig, 1825

Anmerkungen des Herausgebers

Rechtschreibung: Das Original dieses Buches ist 1824 erschienen und folgt der damals gültigen Rechtschreibung ("daß", "Litteratur", "Räthsel", usw.). Wir haben die Rechtschreibung den heutigen Gepflogenheiten angepasst – mit einigen Ausnahmen: Zum einen die Titel zitierter Werke und zum anderen Zitate, die schon damals nicht der Rechtschreibung entsprochen haben und vom Autor absichtlich in Original belassen wurden.

Verlinkungen: Wir haben auch viele Links eingefügt; teils auf unsere eigenen Seiten, teils auf Lexika und Enzyklopädien. Externe Links sind mit einem Pfeil gekennzeichnet.

Inhalt

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Das Rätsel, die Scharade, der Logogriph und das Anagramm

Mehr als leichte Spiele des Witzes, die für den Augenblick ein unmittelbares Wohlgefallen erregen, denn als tief im Gefühlsvermögen begründete dichterische Formen, müssen das Rätsel, die Scharade, der Logogriph und das Anagramm betrachtet werden. Nie wird man sie mit den höhern Erzeugnissen der lyrischen, didaktischen und epischen Dichtkunst auf gleiche Linie des ästhetischen Gehalts stellen können, wenn gleich ihre Stoffe bald der einen und bald der andern dieser drei Klassen der Dichtkunst nahe verwandt sind.

Das Rätsel enthält innerhalb einer kleinen dichterischen Form die ästhetische Darstellung eines Gegenstandes, der in der Form nicht genannt, aber nach seinen gestimmten wesentlichen Merkmalen genau bezeichnet wird, um an diesen angegebenen Merkmalen erkannt und erraten werden zu können.

Die Scharade, oder das Silbenrätsel, ist eine Abart des Rätsels, in welcher zuerst, die einzelnen Silben des Wortes, durch welches der nicht genannte Gegenstand bezeichnet wird, und dann das Ganze selbst nach den ihm eigentümlichen Merkmalen in der ästhetischen Form versinnlicht werden müssen, damit man den unter der Hülle verborgenen Gegenstand errate.

Der Logogriph, oder das Buchstabenrätsel, enthält eine ganze Kette von Rätseln, die alle auf ein Hauptwort führen, dessen Silben einzeln darin geschildert sind, so wie dessen Buchstaben, nach ihrer Versetzung, andere Wörter bilden, die gleichfalls in dem Logogriphe bezeichnet werden.

Das Anagramm endlich, oder das Worträtsel, behauptet seine Eigentümlichkeit dadurch, dass, nach der völligen Versetzung der Buchstaben eines Wortes, ein völlig neuer Begriff, mit einer von der ursprünglichen Bezeichnung des Wortes wesentlich verschiedenen Bedeutung, entsteht.

Beispiele derselben

A. des Rätsels

(von Karl Friedrich Müchler)

Mein Vaterland ist nicht der kalte Norden;
Denn ich gedeih' und reif ' im wärmern Süden nur.
So lieblich ich auch bin, so zeigt doch meine Spur
Verwüstung, Blutvergießen, Morden.
Doch schmück' ich oft des schönsten Mädchens Haar,
Und schimmere an ihrem Hals und Busen;
Es brachte selbst ein Priester deutscher Musen
Als Weihgeschenk mir eine Ode dar.
Vor meinem Glanz muss selbst der Purpur weichen;
Der Kühnste wird durch meine Glut geschreckt;
Und wehe dem, der einmal mich geschmeckt;
Denn nichts erlöst ihn aus des Todes Reichen.

(Die Granate)

B. der Charade

1. (von einem Ungenannten)

Die erste Silbe fällt vom Himmel;
Die zweite Silbe steigt gen Himmel;
Das Ganze ist eine Stadt.

(Schneeberg)

2. (von August Wilhelm Langbein)

Wenn Regen rauscht und Wind und Wetter weht,
Mag man sich gern zur ersten Silbe retten.
Nur die erschreckt kein Sturm, auf deren Ruhebetten
Die zweite steht.

Zählt Mancher auch zu den vom Glück erhalt'nen Gaben
Das Eigentum der ersten nicht;
So kann doch wohl der arme Wicht
An seiner Frau das Ganze haben.

(Hauskreuz)

C. des Logogriphs

(von Friedrich Kind)

Ein Fischchen blieb an einer Angel hangen;
Bald ward ich selbst in einem Netz gefangen:
Weg war mein Herz, dahin war meine Ruh.
Man zog das Netz nicht zu; nein, es ward aufgeschlagen.—
Ich soll den Fisch, ich soll das Netz dir sagen?
Setz nur zu sieben noch den achten zu!

Du rächst es nicht? Nimm von den achten wieder
Drei vorn hinweg; so tönt es süße Lieder.
Nimmst du noch eins; so sind sie weiß und rund,
Doch zu gewisser Zeit auch gelb, rot oder bunt.

(Schleier, Schleie, Leier, Eier)

D. des Anagramms

1. (von Christian Gottlob Heyne)

Austria – vastari

(Aus Heynes Leben von Heeren)

2. (von Friedrich Kind)

Drei Silben – O geliebte Wohnung!
Oft in der Fremde dacht' ich dein,
Und wünschte nichts mir zur Belohnung,
Als umgekehrt die Drei zu sein.,
Dass man das Wort noch mehr muss lieben,
Hat Iffland und ein Freiherr es geschrieben,
Hat Iffland drin der deutschen Welt
Zwei wack're Deutsche dargestellt.

(»Vaterhaus« von August Wilhelm Iffland; »Der Hausvater« von Freiherr v. Gemmingen)