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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätsel

aus »Pierer's Universal-Lexikon«

4. Auflage
1857–1865

Quelle: http://www.zeno.org/Pierer-1857

Wir haben die Orthographie den heutigen Regeln angepasst. Die Links im Text führen i. d. R. zu den entsprechenden Artikeln auf unserer Website.

Rätsel

Rätsel, die umschreibende Darstellung eines nicht genannten Gegenstandes, welche als Aufgabe zur Beschäftigung des Scharfsinns dient, insofern die Prädikate des zu erratenden Gegenstandes nur durch Angabe teils der Ähnlichkeit mit andern, teils seiner Verschiedenheit von andern, teils durch geschichtliche Tatsachen etc. bezeichnet werden. Man unterscheidet: Buchstabenrätsel, wenn ein od. zwei Buchstaben am Anfang des Wortes verändert werden, während der übrige Teil des Wortes unverändert bleibt (Band, Land, Rand, Sand, Tand); od. Logogriphe, wenn ein Wort durch Zusetzung od. Weglassung eines od. mehrer Laute immer andere Bedeutung bekommt, z.B. Greis, Reis, Eis; Anagramm, wenn man von einem Worte die Buchstaben auf verschiedene Weise versetzt u. so andere Wörter bildet, z.B. Rehe, Heer, Ehre. Wenn ein Wort von vorn u. von hinten gelesen werden soll, so nennt man dies ein Palindrom, z.B. Roma, Amor; wenn dasselbe Wort in verschiedener Bedeutung genommen werden soll, ein Homonym, z.B. verlegen (der Zustand des Gemüts, etwas an den unrechten Ort legen, ein Buch in Verlag nehmen etc.). Von der Charade (s. d. od. dem Silbenrätsel unterscheidet sich das eigentliche R. dadurch, dass bei jener die einzelnen Silben, dann das Ganze eines zusammengesetzten od. mehrsilbigen Wortes durch besondere Merkmale bezeichnet werden; beim R. hingegen das ganze den Gegenstand bezeichnende Wort zusammengenommen wird; daher Worträtsel od. R. im eigentlichen Sinn. Eine eigentümliche Art R. ist das Bilderrätsel od. Rebus (s. d.. Gewöhnlich wählt man die poetische Einkleidung, wie es schon in den alten Zeiten gewöhnlich war. Sammlung lateinischer u. griechischer R. u. Scharaden von Gr. Gyraldus bei Nic. Reusner, Aenigmatographia, Frankf. 1599. Deutsche R. stehen zerstreut in fast allen Zeitschriften für Unterhaltung u. in älteren Almanachen; eine Sammlung in Th. Hells Agrionien,[834] Lpz. 1811; vgl. Friedrich, Geschichte des R-s, Dresd. 1860. Im Morgenlande waren R. Aussprüche höherer Erkenntnis u. Weisheit, welche, in Dunkelheit eingehüllt, Bedeutung bekam u. behielt (vgl. Sphinx). Solche Aussprüche zu lösen u. zu verstehen, erforderte wieder eine über die gemeine erhabene Kenntnis u. Übung im Denken, daher waren solche Aussprüche u. Fragen der Gegenstand wissenschaftlicher Unterhaltung etc., vgl. Bellermann, De Hebraeorum aegnimat., Erfurt 1796. Noch jetzt ist im Morgenland diese Sitte heimisch. Bei den Griechen diente das R. als Aufgabe, um Gelehrsamkeit u. gute Einsicht zu prüfen (Griphos); so bestand das Wirken der sieben Weisen großenteils in Aufgaben solcher Fragen zur Übung der Denkkraft; teils als Tischunterhaltung (Änigma), u. war nicht viel mehr als Gedächtnissache, z.B. schnell die Namen von Pflanzen, Tieren etc. zu nennen, welche sich mit einerlei Buchstaben anfingen, in denen gewisse Buchstaben vorkämen u. nicht vorkämen; Wörter od. Verse anzugeben, die mit einer genannten Silbe od. mit aufgegebenen Wörtern anfingen od. endigten; Namen tragischer Personen von bestimmter Silbenzahl zu nennen; Namen solcher Personen, welche den einer Gottheit in sich enthielten; Namen, welche sich auf gewisse Silben endigten etc. Wer die Aufgabe löste, erhielt den Beifall der Tischgesellschaft u. einen Kranz; wer es nicht vermochte, musste einen Becher mit Salzwasser trinken. Der Kaiser Tiberius wollte diese griechische Tafelsitte auch an seiner Tafel einführen, aber er wählte nur Fragen aus der Mythologie u. Geschichte. Da solche R. gewissermaßen ein Teil der Volksbelehrung waren, so wurden sie auch wie Denksprüche auf Götterstandbilder, bes. Hermen, eingegraben. Bes. häufig war der Gebrauch der R. bei den germanischen Völkern, u. die Eddalieder sind voll solcher Fragen, womit man seine gegenseitigen Kenntnisse prüfte, bes. das Vafthrudnismal, wo Odin auszieht, um den als klug gerühmten Riesen Vafthrudnir durch Rätselfragen zu bekämpfen; der Besiegte wurde totgeschlagen. So findet man noch in dem Sängerkrieg auf der Wartburg (s. d.) R. einander aufgegeben, mit der Bedingung, dass der Besiegte dem Henker anheim fallen sollte.

Charade

Charade (fr., sprich "Scharade"), Silbenrätsel, die in einer kleinen poetischen Form enthaltene Darstellung eines Gegenstandes, welcher zwar nicht genannt, aber dadurch zu erkennen u. zu erraten ist, dass die einzelnen Silben als für sich bestehende Wörter und dann das Ganze einzeln beschrieben worden sind. Schon die alten Sprachen, besonders die griechische, sind reich an Scharaden, noch reicher aber die französische und deutsche Sprache. Die belletristischen Zeitschriften, Almanachs, Jugendschriften etc. enthalten Scharaden. Sammlung unter andern von Theodor Hell, Agrionien, Leipzig 1811. Man führt auch Scharaden in geselligen Kreisen durch einzelne Handlungen auf, indem ein Teil der Gesellschaft die einzelnen Silben, dann das Ganze durch pantomimische, auch wohl dramatische Darstellungen versinnlicht, der andere Teil sie errät (lebende Scharaden).

Logogriph

Logogriph (irrig Logogryph, v. gr.), Wort-, Buchstabenrätsel, wobei ein Wort durch Hinzusetzen oder Wegnehmen, Versetzen oder Vertauschen eines oder mehrerer Buchstaben jedes Mal eine andere Bedeutung erhält.

Buchstabenrätsel

Buchstabenrätsel (Logogryph), ein Rätsel, bei welchem die Lösung in Wörtern besteht, welche sich nur durch einen oder zwei Anfangsbuchstaben unterscheiden, z.B. Kahn, Wahn, Hahn.