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Rätselgedichte, Rätselreime

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Aesthetik

von Franz Ficker

Aesthetik oder die Lehre vom Schönen und von der Kunst in ihrem ganzen Umfange

von Franz Ficker, Professor der klassischen Literatur und Aesthetik an der Wiener Universität

Zweite vermehrte und verbesserte Auflage

Im Verlag von J. G. Heuber, Wien, 1840

Anmerkungen des Herausgebers

Rechtschreibung: Das Original dieses Buches ist 1869 erschienen und folgt der damals gültigen Rechtschreibung ("daß", "Litteratur", "Räthsel", usw.). Wir haben die Rechtschreibung den heutigen Gepflogenheiten angepasst – mit einigen Ausnahmen: Zum einen die Titel zitierter Werke und zum anderen Zitate, die schon damals nicht der Rechtschreibung entsprochen haben und vom Autor absichtlich in Original belassen wurden.

Anmerkungen: von uns stehen direkt im Text [in eckigen Klammern] oder als Fußnoten mit einer "]" statt einer ")": 1] Dies ist ein Beispiel für eine Anmerkung/Fußnote von uns.

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§. 56

An das Epigramm, zumal das witzige, lässt sich noch das Rätsel und die Scharade mit dem Anagramm anschließen. Das Rätsel enthält in dichterischer Form die dunkle und bildliche Umschreibung eines Gegenstandes oder Begriffs, welcher aus den angegebenen, ausschließenden und wesentlichen Merkmalen durch Nachdenken aufgefunden (erraten) werden soll. Dieses Spiel des Witzes und Scharfsinnes wird um so vollkommener sein, je schärfer, treffender und ungewöhnlicher der Gegenstand bezeichnet, je mehr zugleich dem Nachdenken überlassen, und je mehr die poetische Seite des Gegenstandes hervorgewendet wird. Denn soll das Rätsel poetisch sein, so muss es auch wahrhaft ästhetische Bilder und Ideen in uns wecken. Das Finden des Schlüssels muss das Interesse erhöhen anstatt es zu töten. Von den Eigenschaften und Merkmalen des Gegenstandes müssen so viele angegeben werden, als zu seiner ausschließlichen Bezeichnung erforderlich sind, aber auch wenig genug, um etwas zu erraten übrig zu lassen. Stil und Metrum muss im Rätsel epigrammatisch sein. Wir finden das Rätsel bei den ältesten orientalischen Völkern, dann bei den Griechen, ferner während des Mittelalters bei östlichen und westlichen Nationen, den Arabern, Skandinaviern etc., endlich in den ausgebildeten Literaturen der neuern Zeit. Doch ist es hier mehr zur Unterhaltung und zum bloß gesellschaftlichen Witz herabgesunken. Unter den neuern Rätseldichtern zeichnen sich vorzüglich Schiller und Langbein, Georg Philipp Schmidt und Houwald aus.

§. 56.1

Abarten des Rätsels sind: 1) die Scharade (oder das Silbenrätsel), deren Gegenstand ein Wort ist, das man zu erraten aufgibt, indem man erst die einzelnen Silben als für sich bestehende Wörter auf eine rätselhafte Weise beschreibt, und dann erst das Ganze andeutet. Gelungen kann man eine Charade nennen, wenn die verschiedenen Rätsel, welche sie enthält, sich passend aufeinander beziehen, und mit einer epigrammatischen Spitze im Ganzen zusammenlaufen. Am angemessensten spricht sich dies Gedankenspiel in Versen aus, und vorzüglich eignen sich dazu jene Sprachen, welche einen Überfluss von zusammengesetzten Wörtern haben, wie vor allen die griechische und deutsche Sprache. Letztere hat noch den Vorteil, dass sie oft die Substantive unverändert zusammensetzt. Man hat häufig die Charade in kleine Erzählungen, Sonette und andere Formen eingekleidet. Vorzügliche Scharaden haben wir in Almanachen und Zeitschriften von Friedrich Kind, Große, Theodor Körner, Theodor Hell, Leopold von Göckingk, in der Theaterzeitung, im Modejournale u. s. w. Eine schöne Sammlung sind die Agrionien. 1)

§. 56.2

2) Das Anagramm, oder die rückwärts versuchte Lesung eines Wortes oder Redesatzes, so wie die Versetzung eines oder mehrerer Buchstaben eines oder mehrerer gegebenen Worte, um daraus eins oder mehrere von ganz verschiedenem Sinne hervorzubringen, welches demnach wieder zwei Arten unter sich begreift, a) Den Logogriph (oder das Wort- und Buchstabenrätsel), bei welchem man durch die angedeutete Wegnahme oder Versetzung einzelner Buchstaben verschiedene Dinge in einem Worte und daraus endlich das Wort selbst erraten lässt. Darum gehr im Logogriph oft eine ganze Reihe von Rätseln hervor. Wieland hat einige im Jahrgange 1778 des deutschen Merkurs geliefert. Mehrere finden sich in der von Adolf Bäuerle redigierten Theaterzeitung. Wird das ganze Wort umgekehrt, so entsteht b) der Palindrom. Auch hier muss der Stoff poetisch-epigrammatisch sein, z. B. Amor, Roma, Regen, Neger.

Anmerkungen und Fußnoten

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1) Damit ist wahrscheinlich »Agrionien. Taschenbuch auf das Jahr 181x" gemeint, herausgegeben von Theodor Hell (d. i. Carl Gottfried Theodor Winkler). Eine zweite, identische Auflage erscheint unter dem Titel »Das sinnreiche Buch; oder Charaden, Räthsel und Logogryphen auf alle Tage im Jahr 1812«.