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Rätselgedichte, Rätselreime

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Entwurf einer Theorie und Litteratur der schönen Redekünste

von Johann Joachim Eschenburg

Entwurf einer Theorie und Litteratur der schönen Redekünste
Fünfte, von Dr. Mortta Pinder völlig umgearbeitete Ausgabe
in der Nicolai'schen Buchhandlung
Berlin, 1836

Anmerkungen des Herausgebers

Rechtschreibung: Das Original dieses Buches ist 1836 erschienen und folgt der damals gültigen Rechtschreibung ("daß", "Litteratur", "Räthsel", usw.). Wir haben die Rechtschreibung den heutigen Gepflogenheiten angepasst – mit einigen Ausnahmen: Zum einen die Titel zitierter Werke und zum anderen Zitate, die schon damals nicht der Rechtschreibung entsprochen haben und vom Autor absichtlich in Original belassen wurden.

Anmerkungen: von uns stehen direkt im Text [in eckigen Klammern] oder als Fußnoten mit einer "]" statt einer ")": 1] Dies ist ein Beispiel für eine Anmerkung/Fußnote von uns.

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Das Rätsel

§. 238. Das Rätsel gibt von einem Gegenstande, den es selbst geflissentlich verschweigt, nur äußere Merkmale, Eigenschaften und Beziehungen an, welche in ihrer Einzelheit und Losgerissenheit einander widersprechen, und eben hierdurch zur Lösung anreizen; denn nur im Worte der Lösung sind alle diese Widersprüche mit einem Male aufgehoben. Wenn von einem Kunstwerke überhaupt verlangt wird, es solle Universalität besitzen, ein Abbild des Universum sein, so genügt das Rätsel dieser Anforderung auf eine ganz besondere Weise, und rechtfertigt so die Stellung, welche es im Gebiete der Dichtkunst einnimmt. Denn wie die Welt der Erscheinung voll aufreibender Widersprüche ist, und in dieser Äußerlichkeit zwar ein schönes Ganze ausmacht, aber ihre zusammenfassende Einheit, ihren Urquell zu suchen auffordert: so sind auch die Rätsel in ihrer vollkommenen poetischen Gestalt, als kleine Abbilder des Universum oder großen Welträtsels, eine Zusammenstellung frappanter, an sich schon reizender Züge, die aber nach Lösung verlangen, und ehe diese gefunden ist, nur gefällig anregen, ohne zu befriedigen.

§. 239. Wenn nun das Rätsel auf seine eigene Vernichtung, nämlich die Auflösung, hinzielt, so behält es doch auch nach der Lösung seinen bleibenden Wert, und ist nicht bloß ein augenblickliches Spiel des Witzes; vielmehr liegt eine dauernde Wahrheit darin, dass es auf poetische Weise die seltsamen Widersprüche eines gleichwohl in sich einigen Gegenstandes zur Sprache bringt. Diesem tiefern Sinne gemäß hat das Rätsel, von andern bedeutsamen, tiefsinnigen Sprüchen noch nicht streng gesondert, schon in den frühesten Jahrhunderten in hohem Ansehen gestanden. Wir finden es bei den ältesten orientalischen Völkern, dann bei den Griechen, ferner während des Mittelalters bei östlichen und westlichen Nationen, endlich in den ausgebildeten Literaturen der neuern Zeit. Unter den deutschen Rätseln zeichnen sich die von Schiller, der Parabel (s. §. 265.) sich nähernd, durch sinnige Wahl der Gegenstände und Anmut der Darstellung aus.

So legt der Dichter ein Rätsel,
Künstlich mit Worten verschränkt, oft der Versammlung ins Ohr.
Jeden freuet die seltne, der zierlichen Bilder Verknüpfung,
Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung verwahrt. I
st es endlich entdeckt, dann heitert sich jedes Gemüt auf,
Und erblickt im Gedicht doppelt erfreulichen Sinn.

(Goethe, Alexis u. Dora.)

Rätsel in der Bibel, z. B. Richter C. 14. V. 12 ff. 1) Vergl. Spr. Salomonis C. 1. V. 6. 2) Salomons Weisheit bewährt sich an den Rätseln der Königin vom Reiche Arabien, erstes Buch der Könige C. 10. V. 1. 3)

Griechische Rätsel, unter ihnen auch das der Sphinx, welches auf ägyptischen Ursprung hinweist, bei Athenaeus, X. 83 u. 84. Diese [griechisch] oder [griechisch] werden in etwas weiterem Sinne als bei uns genommen, und demgemäß von Aristoteles, Poet. c. 22. definiert, von Quintilian auch nur als allegoriae genus obscurias betrachtet (VIII. 6. 22.). Ein altlateinisches Rätsel teilt Gellius in dem capitel de aenigmate mit, Buch XII. Cap. 6. —

Zahlreich sind die Rätsel der Dichter des Wartburgkrieges, in: der Singerkriec uf Wartburc, herausgegeben von Ernst Ettmüller; Ilmenau 1830. 8. —

Über Schillers Parabeln und Rätsel s. A. G Langes Aufsatz in dessen Vermischten Schriften; Leipzig, 1832. 8. S. 240 ff., wo jedoch zu ungünstig über das Rätsel geurteilt und ihm seine Stelle im Gebiete der Dichtkunst streitig gemacht wird.

Anmerkungen und Fußnoten

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1) »Simson aber sprach zu ihnen: Ich will euch ein Rätsel aufgeben. Wenn ihr mir das erratet und trefft diese sieben Tage der Hochzeit, so will ich euch dreißig Hemden geben und dreißig Feierkleider.«

2) »Wer weise ist der hört zu und bessert sich; wer verständig ist, der lässt sich raten, dass er verstehe die Sprüche und ihre Deutung, die Lehre der Weisen und ihre Beispiele.«

3) »Und da das Gerücht von Salomo und von dem Namen des HERRN kam vor die Königin von Reicharabien, kam sie, Salomo zu versuchen mit Rätseln.«