Quelle: Adolph Kolping der Gesellenvater, Sebastian G. Schaeffer, 1880, Seite 275.
Nebst einer kurzen Anleitung zum Verfassen und Lösen der verschiedenen Arten von Räthseln.
Verlag: | N. F. Hergt, Coblenz |
Datum: | 1838 |
Seiten: | 95 |
Die Werke von Karl D. Aubenfloh sind gemeinfrei, da deren Verfasser vor mehr als 70 Jahren verstorben ist.
# | ist die Nummer des Rätsels hier bei uns |
∞ | ist die Nummer des Rätsels in K. D. Aubenflohs Räthsel von 1838. |
Es ist längst anerkannt, dass das Verfassen und Lösen der Rätsel einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Bildung des Geistes ausübt, indem dadurch das Denken geschärft und Verstand und Witz genährt wird. Zudem aber gewährt das Verfassen und Raten der Rätsel auch noch den Vorteil eines schnellern Bekanntwerdens im Gebiete der Muttersprache. Denn augenfällig ist ein solches Prüfen, Ersinnen, Wählen und Verwerfen einer Menge von Wörtern und deren Zusammenstellungen nicht nur eine sehr gute Übung in der Rechtschreibung, sondern der Forscher muss notwendig durch ein solches Schaffen sich leicht und schnell einen nicht unansehnlichen Wortreichtum erwerben, der ihm im Leben auch in manchen andern Beziehungen wohl zu Statten kommen wird. — und da zugleich durch ein solches, wie durch jedes, Forschen und Bilden im Felde der Sprache diese selbst immer mehr veredelt wird, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir unter den Verfassern von Rätseln, Parabeln, Sinnsprüchen und Wortspielen aus allen Zeiten manchen der gepriesensten Sprachforscher und Dichter erblicken.
Hieraus ergibt sich denn schon von selbst, dass jeder denkende Erzieher es nicht versäumen darf, die ihm anvertrauten Zöglinge in dieses Sprachgebiet, wo für den Geist Schärfe und Gewandtheit zu erringen ist, wenn auch nur spielend, frühe schon einzuführen, und wir sehen deshalb auch diese Übungen längst schon in allen guten Schulen angewandt.
Das Rätsel⸗Aufgeben macht zudem in unsern Zirkeln sehr oft einen heil der Unterhaltung aus, und wer in einen solchen Kreis eintritt, darf in diesem Felde wenigstens nicht fremd sein. Aber das Sprichwort: »Frühe übe sich, wer ein Meister werden will«, gilt auch hier.
Als Mitarbeiter einer an einer höhern Bildungsanstalt und Schule während eines Jahrzehnts hat der Verfasser selbst diese Erfahrung gemacht. Die Zöglinge nahmen in seinem Unterricht der deutschen Sprache dann und wann Übungen im Auffinden und Wählen passender Stoffnamen und deren Einkleidung nach den verschiedenen Rätselarten vor — wobei natürlich die Beschreibung nicht in der Form des Gedichts, sondern nur in einfacher Prosa gefordert wurde — und waren in sehr kurzer Zeit im Stande, auch schwierigere Rätsel, und dies oft mit großer Leichtigkeit, zu erraten. Wer einen Knoten zu knüpfen weiß, versteht leichter und schneller als Andere auch ähnliche zu lösen.
Je reicher nun eine Sprache ist und je schöner und biegsamer ihre Wörter sind, desto schönere Rätsel und in desto größerer Mannigfaltigkeit müssen deren notwendig aus ihr gebildet werden können. Und so ist denn vor vielen andern unsere reiche, schöne, biegsame deutsche Sprache ganz besonders zum Schaffen guter Rätsel geeignet, diese Sprache, deren Wörter so frei von stummen Lauten sind, aus deren unzähligen Anagrammen oft eben so viele und mehr Wörter hervorgehen, als die Namen selbst Laute umfassen, und in welcher man »die Wurzel des Eichbaums« und »die Eichbaumwurzel« sagen kann.
Die folgende kurze Beschreibung der gebräuchlichern Rätselarten ist besonders mit Rücksichtnahme auf den Unterricht in Schulanstalten eingerichtet und deshalb dabei möglichst der Gang vom Leichtern zum Schwereren beobachtet.
Unter den Buchstaben⸗(Lauten⸗) Rätseln, wobei es nur allein auf die Stellung der Buchstaben ankömmt, sind die
solche Rätselwörter, wo durch verschiedene Stellung ihrer Buchstaben, ohne dass einer derselben weggelassen oder ein neuer hinzugefügt oder ein vorhandener verdoppelt werde, jedes Mal andere Wörter entstehen. So bildet Harfe (mit Hafer) ein zweinamiges, Dame (mit Made und Edam) ein dreinamiges, und Odem (mit Mode, Dome, Edom) ein viernamiges Anagramm. —
Unter den Anagrammen werden noch mit dem besondern Namen
solche bezeichnet, die, nur vorwärts und zurück gelesen, verschiedene Namen zeigen, wie Emma, Amme — Zier, Reiz. —
Die
bieten dem Forscher ein ungemein ausgedehntes Feld dar. Es sind dies die echten Buchstabenrätsel; denn hier bilden sich aus einem Worte, je nachdem man einen oder mehrere seiner Laute schwinden und wieder erscheinen lässt, mehrere, ja oft viele Namen. Da man aber, bei einem willkürlichen Verfahren, fast ein jedes Wort zu einem Logogriph machen kann, so kömmt es hier ganz besonders auf eine gute Wahl an und auf Beobachtung mancher Regeln, die der all gemeine Gebrauch vorschreibt.
Man kann nämlich mit den Lauten, die in dem Berlin enthalten sind, sobald man sie willkürlich stellt, eine Menge anderer Wörter bilden, wie Bern, Bein, Lein, Birn, Nil etc.; aber das Erraten solcher Buchstabenrätsel würde nur langweilig sein. Und wenn auch und da ein in solcher Weise abgefasstes Logogriph, zumal wenn der Name nicht viele Laute zählt, als Schwank geduldet wird, so sind die längern Wörter, wie etwa Duldsamkeit, Vereinigung u. dgl., die fast das halbe Alphabet in sich enthalten, durchaus verwerflich. Denn neben der Langweiligkeit, die sie einerseits für den Rater haben, zeugt auch deren Verfassen nicht im mindesten von irgend einer Kunstfertigkeit.
Die bessern Logogriphe sind deshalb jene, wo die Stellung der Laute jedes Mal nach einer bestimmten Ordnung geschieht. So ist der Name Herder (mit Herd, Herde, Heer, Here, Herr, Erde) und selbst das Wort Berlin (mit Erin, Ei, Bel, Bei, Bern, Bein, Erl') ein gutes Logogriph, denn hier sieht man die Laute nur erscheinen und verschwinden, ohne dass einer seine anfängliche Stelle mit einer andern vertauscht.
Einen besondern Vorzug verdienen solche Logogriphe, wo bei diesen Verwandlungen eine gewisse Regelmäßigkeit obwaltet, wie Messer, Messe, Esser, Esse, oder Kreisel, Reise, Eis — Mainz, Main, Mai — Flieder, Lieder, Jeder. — Die Anfänger lasse men jedoch, bevor man mit ihnen zu diesen mehrnamigen Logogriphen schreitet, zuerst im Bilden der einfachern zweinamigen sich üben, wie Nadel, Adel — Keule, Eule — Moder, Oder — Flachs, Dachs. Denn wenn auch bei diesen einfachern Logogriphen das Verfassen und Erraten gleich leicht ist, so geben sie doch wenigstens zu jenen schwierigern eine gute Vorübung ab.
Eine andere Art von Logogriphen ist noch die, wo durch das Vertauschen eines einzelnen Lautes mit einem andern verschiedene Wörter entstehen, wie Ball, Fall, Hall, Wall — Ebbe, Eibe, Elbe, Erbe — Feder, Feger, Feier, Feuer — Herd, Here, Herr, Herz. Alsdann aber muß, wie diese Wörter zeigen, der Laut, der verwechselt wird, der Zahl nach stets derselbe sein, nämlich der erste des Wortes, oder der zweite, dritte u. s. f. —
oder SilbenRätsel sind solche, wo bei einem mehrsilbigen Worte neben dem Gegenstande, den der ganze Name an gibt, auch die der einzelnen Silben beschrieben werden können, wie Armbrust, Grasmücke, Fingerhut. —
Die besseren Charaden sind die, wo jede der einzelnen Silben eine von der andern und zugleich vom Ganzen völlig verschiedene Bedeutung hat, wie dies bei den so eben angeführten Wörtern der Fall ist. Weniger geeignet zur Charade wäre demnach das Wort Blumenkranz, weil hier der Unterschied zwischen Kranz und Blumenkranz nicht scharf genug bezeichnet werden kann, oder Apfelbaum, wo sich wieder die Begriffe von Baum und Apfelbaum zu nahe stehen.
Unter der Benennung Charaden können auch jene mehrsilbigen Rätselwörter aufgeführt werden, wo durch Verschiebung der Silben — wie bei den Anagrammen und Logogriphe durch Verschiebung der Laute — verschiedene Wörter entstehen, ohne dass die einzelnen Silben an und für sich eine Bedeutung haben. Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass die Silben jedes Mal nur nach dem Lautenfall und nicht nach dem Stamme des Wortes zu trennen sind. — So haben beim Worte Ge-ber die einzelnen Silben keinen Sinn; verschiebt man sie aber, so entsteht das Wort Berge. Dieses Wert ist, wie man sieht, eigentlich ein Anagramm, und die Benennung Charade kann hier, wie auch der Name Palindrom, nur als nähere Bezeichnung gelten. Bei den silbenreichern Wörtern dieser Art hört dagegen freilich fast durchgehends die Form des Anagramms auf.
die öfters, wiewohl unrichtig, die einfache Überschrift Rätsel erhalten, sind die Wörter von mehrfacher Bedeutung, wie Ball, Schloss, Bank, so wie auch Weihe (der und die), Reis (der und das). Die bessern sind auch hier wieder die von ganz verschiedenem Sinn, weniger gut dagegen solche, wo bei der verschiedenen Bedeutung der Gegenstände die Grundbegriffe mehr oder weniger die selben bleiben, wie bei Stamm, Stufe, Ader, Rohr u. s. w. —
Den einfachen Namen Rätsel gebraucht man da, wo aus der Darstellung nur ein einfacher Gegenstand, ein Name, ein Wort, ja auch selbst nur ein Buchstabe, zu erraten ist. Zu en wähle man — wie uns dies auch schon unser Schiller in seinen schönen Rätseln Aug, Pflug u. s. f. zeigt — vorzugsweise solche Gegenstände, in deren Beschreibung Seltsames und Wunderbares eingeflochten werden kann, wie etwa Gold, Segel, Perle, Spiegel.
Hinsichtlich der Laute und ihrer Anwendung bei den Rätseln, besonders bei den Logogriphen, hat man der Grammatik zu folgen oder den Sprachgebrauch zu beobachten. Die Zeichen ch, ck ꝛc. gelten als einfache Buchstaben, i und j werden eines für das andere genommen, und beim ß schreibt die Grammatik, so wie auch bei der Aussprache die Betonung es vor, wann es als ein oder als zwei Buchstaben zu gebrauchen ist, wie z. B. Gruß, Grüße, Fluss, Flüsse.
Abkürzungen von Wörtern durch Weglassung des End lautes, wenn nämlich solche Wörter in ihrer Stammform stehen, wie Lieb' (für Liebe), Rut' (für Rute), Seel u. dgl., sind erlaubt, da ja bekanntlich fast alle unsere Stammwörter in früherer Zeit einsilbig waren, wie sich dies heut' noch bei vielen zusammengesetzten Namen zeigt, wie bei Eichlaub, Erlkönig, Liebschaft, Sonntag, Erdbeerblatt u.s.f., und da ohne diese Freiheit gar manches gute Stoffwort, besonders zum Anagramm und zur Charade, unbenutzt bleiben müsste. Zu vermeiden sind dagegen möglichst solche Wörter, wo, um einen Sinn zu bewirken, einzelne Laute, wie etwa bei der Charade Glücksrad das s, ausgelöscht oder gar fehlende, wie z. B. in Schachtel ein l, zu Hilfe genommen werden müssen.
Es versteht sich von selbst, dass Rätsel nicht nur genau nach den Gesetzen der Rechtschreibung, sondern auch nach jenen der Denkkunde abgefasst sein müssen, und es wäre für das gebildetere Publikum zu wünschen, dass der Verstöße gegen diese Regeln in unsern öffentlichen Zeitschriften und Rätselsammlungen weniger vorkommen mögen. Denn wenn etwa ein Verfasser eines Rätsels die Andeutung vom Worte Hand geben wollte, und sagte — die fünf Finger im Sinne habend — »eine Große mit fünf Kleinen«, so wäre doch wohl unter diesem Ausdruck nur eine große Hand und fünf kleine Hände zu verstehen. Unorthographische oder unlogische Rätsel können für den gebildetern Leser oft gänzlich unerratbar sein.
Dem Scharfsinn des Rätseldichters muss es überlassen bleiben, ein gewähltes Stoffwort der Rätselklasse zu überweisen, die für dasselbe die passendste ist. So würde z. B. das Wort Nachteil eine Scharade von minderem Wert abgeben, während das selbe Wort (mit Nacht, Acht, Ach, Ate, Nil, Teil, Heil, Eil, Ei) ein gutes Logogriph bilden würde, und wieder würde das Wort Beil (Eil) ein minder gutes Logogriph, wohl aber ein gutes Palindrom als Beil, Lieb, so wie ein eben so gutes viernamiges Anagramm (Beil, Leib, Blei, Lieb) liefern.
Ein besonderer Vorzug bei einem jeden Rätsel ist Schärfe und Bestimmtheit in der Bezeichnung des Gegenstandes — damit der Rater nicht ein anderes Wort, das auf die Beschreibung eben so gut als das aufgegebene passt, als Auflösung bringe — und dann möglichste Kürze in der Darstellung, damit dem Rater so wenig als möglich der Überblick aufs ganze Rätsel erschwert werde, wobei jedoch, wie jeder einsehen wird, nicht eben nur eine größere oder kleinere Zeilenzahl zu verstehen ist, die ja nur — wie auch bei den Romanzen — durch einen mehr oder minder reichhaltigen Stoff bedingt werden. Wollte man nur Rätsel von kleiner Zeilenzahl liefern, so würden oft wieder die reichhaltigsten Stoffnamen zu guten Rätseln unbenutzt bleiben müssen.
Das aber, was zu beschreiben ist, werde möglichst kurz und bündig und mit Weglassung alles Überflüssigen beschrieben.
Es wäre gegen den Zweck des Rätseldichtens, wenn man nur schwierig zu erratende Rätsel aufgeben wollte. Auch solche, die leichter zu lösen sind, werden, wenn sie nur in einem gefälligen Gewande erscheinen, zwischen jenen eingestreut, als freundliche Sprachblüten in den Kreisen der Rätselfreunde eine gute Aufnahme finden.
Die Sprache des Rätseldichters endlich sei edel und die Darstellung rein. Da das Rätsel in einer Verhüllung erscheint, so wäre es von Seiten des Verfassers eine um so größere Missbrauchung des öffentlichen Vertrauens, wenn das Gedicht des Rätsels nur das Geringste enthielte, was des gebildetern Lesers Gefühl für Anständigkeit in irgend einer Weise verletzen könnte.
Im Oktober 1838.