Ein Schneider — ein gewisser eig'ner Schneider,
Nicht vom Gewerk der Herrn- und Damenkleider,
Nicht Hol; noch Steine traf die Künstelei,
Es war ein Held der Beutelschneiderei,
Ein Taschenspieler, einer, der gewandt
Sein Spiel mit fremden Taschen gut verstand;
Der ging zu Markt, um Hokus-Pokus-Sachen,
Die Börsen kurz, die Finger lang zu machen.
Da kam auch zu der vielen Schauer Mitten
Der Bauer Hans gemächlich «»geschritten.
Der gafft, der staunt, ihm stockt fast der Verstand,
Und hielt die Taschen zn mit starker Hand.
Das merkte jener wohl mit schlauen Mienen.
»Sieh' da«, sprach er, »ich will mit einem Kunststück dienen,
Was gilt die Wette, Freund! ich rechne Dir
Die Börse aus bis auf den Heller hier.
Ohn' dass ich's seh', ohn' von der Stell' zu geh'n.«
Nun das, das wollte Hans doch einmal seh'n;
Denn wohl verwahrt im Säckel, in der Katze,
War's sicher schon vor Diebes-Aug' und Tatze.
Zwei Friedrichsd'or, fünf Taler, zwanzig Groschen,
Neun Pfennige fürs Korn, das er gedroschen.
Hans wusst' die ganze Summe auf ein Haar,
Sah Niemand, der beim Kauf gewesen war.
Er nannt' es nicht, ließ es nicht sehen, fassen, —
Ho ho! da soll's der Schelm wohl bleiben lassen.
»Nun rechne selbst«, sprach der, »für Dich ganz leise.
Mit Zahlen, die ich sprech' nach meiner Weise,
Mit Deinem Geld.« —Hans fasste sich, auf den Bedacht,
Was ihm des Kantors Ziemer beigebracht.
Und jener ließ ihn nun multiplizieren,
Addieren, subtrahieren, dividieren,
Bis er mit Zahlen, die er sich erdacht.
Fünf Spezies Adam Riesens durchgemacht.
Hans nahm zusammen seinen dicken Kopf,
Und rechnete an Finger, Daum und Knopf.
Bis endlich — ah! da hatte er's vollbracht,
AlS Facit gut und richtig rausgebracht:
Wohl fünfunddreißigrausend und zweihundert
Und neunzehn. Hans, der lachte drob verwundert.
Wie war'S gefehlt, wie angeführt der Dumme,
Nicht so viel Deut war die geheime Summe.
„Gemach," sprach jener, „hör', ich rechne's vor.
Du hast im Säckel erst zwei Friedrichsd'or,
Fünf Thaler einundzwanzig Groschen und
Neun Pfennige." — HanS sperrte auf den Mund
Und stand verblüfft. ES fragte» alle Schauer,
Ob'S richtig sei und nach dem Geld' genauer.
Hans zog den Säckel. Jener zeigte klar.
Vor des DesitzerS Aug' es- jedem baar.
Wohl war Hans neulich, wollt' es gern ergründen.
Doch jener sprach: „Zu Hause wirst Du's finden."
Er gab, HanS nahm daS Säckel, steckc'S am Ort,
Der Künstler eilte durch die Menge fort.
Und alS zu Hanse endlich der Erstaunte
Won Teufelskünsten seinem Weibe raunte,
Und ihr e-S zeigen will, wie er's gemacht.
Und drob den Säckel zog. — Ei gute Nacht
Ihr Schütze ihr! — Ein Zettel steckte d'rin.
Der lehrte deutlich des EpempelS Sinn.
Will, Leser! Dir daS Rechnen nicht gelingen,
Soll mein Oedip Dir auch den Zettel bringen
Dass, wenn ein Prestigator vor Dir steht,
Es Dir da nicht wie Bauern Hans geht.
(unbekannt)
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