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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 13747

von Johann Jakob Reithard

Homonym?

Wie in des Frühlings stillem, tiefen Walten
Die zarte Knospe stark und stärker schwillt,
Bis endlich all' die Blätter sich entfalten
Und Wohlgeruch die Luft umher erfüllt:

So hab' auch ich in mäligem Gestalten
Den holden Reiz, der in mir schlief, enthüllt;
Doch, um ihn ganz zu heben und zu nähren,
Muss er in treuer Liebe sich verklären.

Ein frommer Wahn, der, was er schirmt', entweihte,
Hat mich im Bilde tückisch nachgeahmt:
Ich lächelte, wie die Gebenedeite,
Und fühlte Nichts, denn Morden war mein Amt.

Der Arme, der mir Liebesblumen streute,
War längst zu grauser Todesqual verdammt
Und aus dem Lager, das ich ihm gewoben,
Hat keiner je lebendig sich erhoben.

Wohl glaubst du nun, mich bald herauszubringen;
Doch sieh', ich wechsle plötzlich die Gestalt;
Des Himmels Wolken kommen und umschlingen
Jetzt meine Stirne silberweiß und kalt.

Frei steh' ich da, ob Hohen und Geringen,
Und trotze schweigend jeglicher Gewalt;
Und glüh'n auch öfters rosig meine Wangen:
Nie ist die Glut vom Herzen ausgegangen!

Doch wenn der Tag vom blauen Himmelsbogen
Auf seinem gold'nen Feuerwagen sank,
Wenn längst das Meer mit seinen grünen Wogen
Den gold'nen Strahl der lieben Sonne trank:

Dann leucht' ich still, von sanftem Glanz umzogen,
In dunkler Nacht. Drum pflegt, zu süßem Dank,
Mit jedem Jahr die Königin der Sphären
Einmal in meiner Wohnung einzukehren.

Allein, wie oft mit wundersüßem Beben
Die Knospe sanft sich an die Rose schmiegt,
Wie dann die reichen Blätter sie umweben,
Und milder Duft sie kräftigt und vergnügt:

So hat sich einst das hoffnungsreichste Leben
Auf meinem Arm, an meiner Brust gewiegt —
Und was geheimnisvoll in ihm gelegen,
Ging strahlend auf, der ganzen Welt zum Segen.

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(unbekannt)

Verweise

Homonyme