1.
Von Sappho schon ein Bote genannt,
Und längst als Amors Bote bekannt,
Werd' ich zum Danke doch nur zuletzt
Von sanften Gebietern sogar verletzt.
Selbst manches Mädchen, so lieb und mild,
Zerbricht in Stücke mein Botenschild,
Und reißt mir wild und nicht ohne Neid
Selbst Lappen herunter von meinem Kleid.
Und hat sie mich dann zum Troste geküsst,
Weil ihr das Leben mein Wort versüßt,
So schickt sie den Brüdern mich, o der Schmach!
In dunkles und enges Gefängnis nach.
2. 3.
Ich bin ein Verwalter von allerlei Gut,
Doch nicht gehörig auf meiner Hut;
Denn stehlen lass' ich mir, wehre mich nicht,
Was meinem Herrn doch oft schwer gebricht.
1. 2. 3.
Ich bin das Gefängnis des Boten dort.
Verwahr' ihn freundlich an schönem Ort;
Ich werde zur Zierde von Mädchen geschmückt,
Oft hab' ich als Liebesgeschenk beglückt.
Und wer die Boten bei mir entdeckt,
Die mein geheimstes Gemach versteckt,
Dem wird ein manches Geheimnis kund;
Denn selten halten sie reinen Mund.
Brief + Tasche = Brieftasche
Sappho (* zwischen 630 und 612 v. Chr.; † um 570 v. Chr.) war eine antike griechische Dichterin. Sie gilt als wichtigste Lyrikerin des klassischen Altertums und hat kanonische Bedeutung. Sappho lebte in Mytilene auf der Insel Lesbos in der Nordägäis, dem kulturellen Zentrum des 7. vorchristlichen Jahrhunderts. In ihren Dichtungen spielt die erotische Liebe eine wichtige Rolle. Nach heutigen Schätzungen sind nur etwa sieben Prozent ihres Gesamtwerks erhalten geblieben.