Embleme
Ich habe bereits an einem andern Orte bemerkt, dass mir die Emblematiker unter den Querköpfen die gegründetsten Ansprüche auf einen der ersten Plätze zu haben scheinen. Dort bin ich den beweis schuldig geblieben. Ich liefere ihn hier nach, und wähle dazu aus Ernatho Mundus Symbolicus den Artikel: Liebe. Man urteile selbst.
Die Vergleichung mit dem Feuer könnte man hingehen lassen. Die Metapher ist zu alt, als dass man sich an ihr stoßen dürfte. Aber gleich bei der verwandten Flamme kommt die Querköpfigkeit zum Vorschein. Sectionem refugit [sie leidet keine Teilung]. Ist das nicht bare Verkehrtheit? Weiß ein kluges Mädchen, oder eine gewandte Frau, ihre Liebe nicht so geschickt zu teilen, dass zuletzt sogar für ihren Mann noch etwas übrig bleibt?
Ein besseres Sinnbild ist ein frischer, an einem Ende angebrannter Ast, mit der Devise: Ardendo gemit [brennend ächzt er]. Für einen verdorrten, abgelebten Liebhaber, dessen Innamorata seine Börse in Anspruch nimmt, und der
– – – – zur schrecklichen Wahl
gestellt ist, entweder sein Liebesglück auf- oder seine Taler ausgeben zu müssen, passt es vortrefflich. Est mollis flamma medullas, er fühlt die Glut in seinen alten Gebeinen bis ins innerste Mark hinein: und zu gleicher Zeit schaudert er bei dem Gedanken an die unchristlichen Preise, welche Juweliere und Modehändlerinnen zu halten pflegen, und ächzt und schwitzt in dem harten Kampfe zwischen der Liebe zu seiner Schönen und der zu seinem Gelds wie grünes —
Die beiden ersten Silben zeigen ein Werkzeug, und zugleich das durch die Anwendung desselben Effektuierte an. In ersterem Falle bestehen sie aus der dritten Silbe; in letzterem bestehen sie durchaus selbstständig, und deuten dann etwas an, was sich zwar, durch das Gefühl hinlänglich erkennen, sonst aber, wieso mancher andere Tropus, schwer erklären lässt a).
Auch in anderem Brennmateriale, als im Holz, haben sie Sinnbilder der Liebe gefunden; zum Beispiel in der Kohle. Das mag hingehen. Die Liebe verglüht, wie die Kohle, und was übrig bleibt ist ein Caput mortuum. Sollen es inzwischen Kohlen sein, so empfehle ich dazu, statt der gewöhnlichen Holzkohle, die Steinkohle; sie erinnert durch ihren Schwefelgeruch an das höllische Feuer, von welchem uns jene so oft schon auf Erden einen Vorgeschmack gibt.
Auch sonst passt die Kohle nicht übel zu einem Emblem der Liebe. Diese ist nämlich eine Art von Schatzgräber«, bei der wir fast immer statt des gehofften Goldes Kohlen finden; und nicht zu leugnen ist es, dass bei dieser Schatzgraberei nach Lebensglück der *** meist eben so geschäftig, und meist eben so stark interessiert ist, als bei jener nach alten Talern.
Viergliedrig ist das Wort, welches hier gemeint ist. Das erste Glied bezeichnet das Höchste, was deine Vernunft denken kann; das zweite ruft dir die Weisheit als die Norm alles Strebens, und als Gegensatz desjenigen zu, was jedes Streben missleitet, und zuletzt in sich selbst vernichtet; das dritte war einst die Benennung der Gewalthaber in einem bekannten Reich eines fremden Weltteiles; und das vierte schließt in den frommen Wunsch, welchen das Ganze ausdrückt, das ganze menschliche Geschlecht ein b).
Ein Berg mit der Devise: Effluet aurum; ihm wird Gold entströmen. Wie lahm! Hieße es noch: Effluet aurum; Gold entströmt ihm: so wüsste man doch, es sei ein Goldbergwerk gemeint, und es werde auf eine Ausnahme von der Regel hingedeutet. Aber Effluet! Weiß man denn, was der Berg für Ausbeute geben wird? Wie oft schlägt der Bergmann nicht auf Gold und Silberein, und erbaut sich nichts als Blei, Kupfer, Kobalt, Nickel, Gallmey, oder —
Das Wort ist dreisilbig. Setzt man zur ersten Silbe noch ein e hinzu: so nennt sie ein wucherndes Unkraut, das man auf jedem Acker findet. Die beiden andern Silbe n bezeichnen ein Fossil; das Ganze aber ist — das Schlimmste, was man in der Liebe sich erbauen kann c).
Den Bären, das stehende Sinnbild der Tölpelhaftigkeit, zum Sinnbild der zartesten Neigung zu machen, konnte nur einem Emblematiker von Profession einfallen. Das siel ihnen aber nicht ein, weil die Liebe sich mitunter
Bald täppisch, bald drollig.
Bald bärenhaft knollig
zeigt; auch nicht, weil sie oft eine so glückliche Anlage zum Hungern verrät, wie solche die Bären besitzen; auch nicht, weil sie, wie jene an ihren Pfoten, beständig an sich selbst saugt; sondern einzig und allein darum — weil sie, wie man das von den Baren sagt — beständig wachse. Infame Lüge! Wer hat nicht das Gegenteil erfahren? Ein wie viel besseres Sinnbild wäre nicht in dieser Hinsicht — allenfalls mit dem Lemma: Semper imminuor; Ich nehme immer ab — eine —
Die beiden ersten Silben benennen eine Münze, welche hier zugleich den geringen Werth des Ganzen bezeichnet; das zweite Silbenpaar stammt aus dem Pflanzenreich, wie aus den Eingeweide«, und aus dem Haupt, der Tiers des Landes und des Meeres. Es dient der Andacht, wie dem Werbrechen; der Armut, wie der Prunksucht; der Weisheit, wie der Torheit. Es hasst den Tag, wie die Nacht; jener nimmt ihm seinen Glanz; diese bekämpft es, wie die Liebe den trüben Überdruss am Leben bekämpft: wie diese, so lange siegreich gegen seine Feindin, bis es immerfort abnehmend, zuletzt in sich selbst sich verzehrt hat d).
Sublim in seiner Art, und nur in dem Gehirn eines Emblematikers von Profession möglich, war der Gedanke, die Liebe mit — dem Spinat zu vergleichen. Weil Steängel, Blätter, Blüten und Samen am Spinat beständig grün sind; so erfand der gelehrte Bertaldus das Lemma dazu: undique grata virescit; Beständig grünt da alles (am Spinat und an der Liebe) auf das alleranmutigste. Wem fallen, um den gelehrten Bertaldus einen Erzlügner zu schimpfen, nicht die Verse des Dichters bei:
Ach, wenn sie immer grünend bliebe.
Die schöne Zeit der ersten Liebe,
oder — seine eignen Erfahrungen.
Sublimer noch ist der Grund, aus welchem der gelehrte Duelliüs den Spinat zum Emblem der Liebe wählte. Dieses edle Kirchengewächs soll nämlich, um gekocht zu werden, keines Zugießens von Wasser bedürfen, und somit schien es dem sinnreichen Mann ein treffliches Sinnbild für die ***** der Liebe abzugeben.
Wohl Jedem, der die letzten vier Silben des ausgelassenen Wortes besitzt: denn sie allein heben ihn über alle Entbehrungen weg, welche das Leben ihm auflegt. Nur in der ersten jedoch kann er sie finden; und in ihr glaubt sie auch die Liebe zu finden: so lange sie — nicht auf eine so ,schmale Kost, wie ihr Sinnbild sie abgibt, zurückgebracht ist e).
Das beste Emblem der Liebe ist unstreitig das eines italienischen Emblematikers — eine Zwiebel, mit dem Lemma: Numen et obsonium; Gottheit (bei den Ägyptern) und —Hausmannskost.
a) Prügelholz
b) Gottseibeiuns (die Beys der Marmaluken)
c) Quecksilber, Lücke (ein Unkraut)
d) Pfennigkerze (Kerze aus Walrat)
e) Selbstgenügsamkeit
»Il mondo simbolico« des italienischen Geistlichen Filippo Picinelli, 1000 Seiten stark, 1653 auf italienisch in Mailand erschienen, durch den Augustinermönch Augustin Erath übersetzt und erweitert zum »Mundus symbolicus« (1687–1694 herausgegeben).
Als Emblem wird eine Kunstform bezeichnet, deren Ursprung auf die Humanisten der Renaissance zurückgeht. In diesen Werken, meist in Buchform veröffentlicht, waren Bilder und Texte auf besondere Weise miteinander verbunden. Die drei Teile eines Emblems (Lemma, Icon, Epigramm) bezogen sich aufeinander und ermöglichten es, den verborgenen Sinn hinter dem oft rätselhaften ersten Eindruck zu erkennen.