O harte Nuss! – Sie aufzuknacken, spare
Kraft, Kunst, Geduld, schlaflose Nächte nicht;
Dass sich ihr Inn'res leichter offenbare,
Sag' ich sogleich Wie? Wo? die Schale bricht:
Acht Lauter sind in einem Silbenpaare
Vereint zu einem Wort, bekannt und schlicht,
Vier Kerne werden sich daraus entfalten,
Verstehst Du's vornen Lettern wegzuspalten.
Wenn Rosenwölkchen Abends sich entfärben,
Der Tag entweicht vor der gestirnten Nacht;
Um unsern Beifall Nachtviolen werben
Mit süßem Duft aus ihres Kelches Pracht;
Wenn alle Lieder im Gehölz ersterben,
Die Nachtigall allein noch sinnend wacht,
Um Berg und Tal melodisch zu begrüßen –
Sag' an, woraus die Zaubertöne fließen?
Wenn sich ein Dichter dort im Altertume
Der Lieb' und Schönheit seiner Holdin freut,
Ein hohes Lied zu ihrem Preis und Ruhme
Der Seligkeit, sie zu besitzen, weiht,
Begeistert Bild an Bild und Blum' an Blume,
Im Morgenland gepflückt, zusammenreiht –
Sag' an, was ihn, den eine Krone zierte,
Gleich einem vollen Freudenbecher rührte?
Wenn aus der Urwelt ein wehmütig Klagen
In uns're Mitwelt noch herüberschallt,
Ein frommes Herz, statt feurig fortzuschlagen,
Gebrochen still steht, plötzlich starr und kalt;
Wenn Eltern ach! die Lust von ihren Tagen
Zerschmettert seh'n in grausender Gestalt –
Sag' an, wer ist's, den ihre Jammerzähren
Einbalsamieren und im Tod verklären?
Wenn hoch empor in jene Tempelhalle
Die Priesterin im Pompe sich begibt,
Um dort, wie früher ihre Schwestern alle,
Zu weilen und zu lösen ihr Gelübd',
Und näher schon dem Mond und Sonnenballe
Sich selbst dem Gott zum Opfer übergibt –
Sag' an, wirst Du den Schluss des Rätsels kennen,
Und kannst Du den, dem sie sich opfert, nennen?
Schnabel, Nabel, Abel, Bel
Von Feuerlein selbst:
Wer öffnet froh der Nachtigall den Schnabel
Im Lenz, versteckt im dunkelsten Gehölz?
Wer hieß verklären der Geliebten N–!
Den Sohn Bathseba's mit der Dichtkunst Schmelz?
Wer ordnetet die Trauer an um Abel?
Wer wies die Priesterin in Tempel Bel's?
Wer mischt den Honig in des Lebens Kelche
So wie den Wermut? – Liebe nur! doch welche?
Sie ist es, die die Zauberkraft zu schmettern,
Der Kehl' und Brust der Sängerin gewährt,
Und sie, entblößt von Noten, Zahlen, Lettern,
Loblieder auf des Frühlings Anmut lehrt;
Ihr, um die Mondscheinslandschaft zu vergöttern,
Sinn, Phantasie, Gemüt und Lust beschert;
Sie jetzt elegisch singen heißt, jetzt lyrisch –
Ist diese Liebe geistig oder tierisch?
Sie war's, die in die sonnenhelle Ville,
Unsern Demask, oft Salomo'n beschied;
Dort blüht' ein Veilchen in verborg'ner Stille,
Das gern, wie er, des Hofstaats Blicke mied;
Dort, frei von jeglicher Regierungsgrille,
Begrüßt' er mit der Lerche Morgenlied
Sein Liebchen oft am Putz꞊ und Kokettiertisch –
War diese Liebe himmlisch oder irdisch?
Sie war's, die mit der Sehnsucht sich vereinte,
Als jenes erste Paar, voll Wehgefühl,
Den frühen Tod des frommen Sohns beweinte,
Der durch des Bruders neid'sche Keule fiel,
Und ihm die Sünde Edens Tor verzäunte,
Der seligsten Erinn'rung fernes Ziel,
Das es so schnöd verlor, so unverzeihlich –
War diese Liebe nicht gerecht und heilig?
Sie war's vordem, die in die Bel's Kapelle
Als Priesterin die schönste Jungfrau rief,
Wo sie in stiller, himmelhoher Zelle
Gar bald den heiter'n Gottesdienst begriff,
Wenn über die geheimnisvolle Schwelle,
Nachdem sie müde vom Beschauen schlief,
Bel leis, im Negligé, doch männlich-schön schlich –
War diese Liebe göttlich oder menschlich?