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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 12503

von Gustav Feuerlein

Scharade (1+1 Silben)

Zwei Silben wünscht' ich würdig zu besingen,
Die längst der Ruf bis zu den Sternen trug,
Die in Äonen nimmermehr verklingen,
Wenn jedes Denkmal auch die Zeit zerschlug;
Doch soll dies Wagnis meinem Lied gelingen,
So möge der unschuldigste Betrug
Den Silbenwert durch weit're Zeichen mehren,
Und, wenn er sie verschleiert, sie verklären.
Der ersten Silbe nur ein Zeichen weiter!
Und aus ihr wird ein tüchtig Kriegsgerät,
Aus ihr ein unzertrennlicher Begleiter
Des Sohns Lykurgos, der ins Treffen geht,
Nie kehrt zur Heimat sonder ihn der Streiter,
Der in der Schlacht wie eine Mauer steht,
Die abgehau'ne Faust will ihn nicht lassen
Und auf dem Boden selbst noch krampfhaft fassen.
Sieh! jene Mutter, die mit trock'nem Blicke
Ihn ihrem Sohn beim Abschied anvertraut,
Ihr graut nicht vor dem falschen Kriegsgeschicke;
Ihr, der es nur vor Flucht und Schande graut:
»Komm' lieber auf, als nicht mit ihm zurücke!«
Spricht sie zum Sohn mit ernstem festem Laut;
Und auf ihm bringen ihn die Waffenbrüder
Als toten Sieger seiner Mutter wieder.
»Ist er gerettet?« fragt die wackern Krieger
Der Feldherr, der bei Mantinea fällt;
Er hört: »er ist's!« Getröstet ruft der Sieger:
»Ich hab' genug gelebt!« Es reißt der Held,
Bewundert selbst vom gegnerischen Krieger,
Im Glauben an Elysium's schön're Welt,
Den Wurfspieß aus der Brust mit beiden Händen,
Um glorreich, wie er lebte, zu vollenden.
Und nun genesen schwingt in höh're Zonen
Der beste Mensch und Feldherr sich empor,
Um ewig in Asträa's Reich zu wohnen,
Zu dessen Schmuck ihn diese selbst erkor;
Auf Erden muss ihn ew'ger Nachruhm lohnen;
Er starb dem Auge nur, doch jedem Ohr
Wird aus der Weltgeschichte stets vor Allen
Epaminonda's Namen widerhallen.
So schwingt, von neuer Lebenslust entzündet,
Sprosst nach des Winters Flucht die Saat hervor,
Die Sängerin, die uns den Lenz verkündet,
Sich zu dem blauen Himmelszelt empor,
Bis sie im reinern Äther ganz verschwindet,
Wo sie der Blick verliert, doch nicht das Ohr;
Denn, scheint sie auch vom Himmel aufgenommen,
Ihr Lied wird doch auf Erden noch vernommen.
Und weißest Du die Sängerin zu nennen,
So lehrt Dich ihres Namens Hälfte schon
Des hohen Rätsels zweite Silbe kennen:
Du siehst im Ganzen Phöbus treusten Sohn,
Der, stets gewohnt vom Niedern sich zu trennen,
Einheimisch in der höher'n Region,
Nur im Gesang, wie jene, lebt' und webte
Und singend höher, immer höher strebte.
Uns von der Erdenscholl' emporzuheben
Zur Sonnenhöh', auf der er selber stand;
Das Tote, wie Prometheus, zu beleben
Mit Feuer, das er seinem Geist entwand,
Dies war sein Ringen, war sein einzig Streben;
Worin er seines Lebens Aufgab' fand;
Das reichste Herz wusst' er noch zu begaben;
Und jedes arme, dürstende zu laben.
Groß durch dies Ringen nach dem gold'nen Vliese,
Das seiner Seele Heldenkraft bewährt,
Reich im Besitz von jenem Paradiese,
Das nur des Edlen Herz sich selbst beschert,
Erbaut' und türmte sich der Geistesriese
Ein Denkmal auf, das keine Zeit zerstört:
Bedarf's ein zweites noch? – Nein! dessen Gründung
Macht überflüssig Guttenbergs Erfindung.

Lösung anzeigen

Schil[d] + Ler[che] = Schiller

Anmerkungen

Lykurgos

Das Elysion (lat. Elysium) ist in der griechischen Mythologie die »Insel der Seligen« im äußersten Westen des Erdkreises, die vom Okeanos umflossen wird. Auf diese Elysischen Gefilde werden jene Helden entrückt, die von den Göttern geliebt wurden oder denen sie Unsterblichkeit schenkten.

Astraea oder Astraia ist eine Gestalt der griechischen und römischen Mythologie.

Prometheus (»der Vorausdenkende«) ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Prometheus greift bei einem Tieropfer zu einer List, um Zeus zu täuschen; er überlässt ihm nur die wertlosen Teile des Opfertiers und behält das genießbare Fleisch für die Menschen, da sie seine Schützlinge sind. Zur Strafe dafür verweigert der erzürnte Zeus den Sterblichen den Besitz des Feuers. Darauf entwendet Prometheus den Göttern das Feuer und bringt es den Menschen. Deswegen wird er auf Befehl des Göttervaters gefesselt und in der Einöde des Kaukasusgebirges festgeschmiedet. Dort sucht ihn regelmäßig ein Adler auf und frisst von seiner Leber, die sich danach stets erneuert. Erst nach langer Zeit erlöst der Held Herakles den Titanen von dieser Qual, indem er den Adler mit einem Pfeil erlegt. Schließlich wird Prometheus von Zeus begnadigt und erlangt seine Freiheit zurück.

Phöbus treusten Sohn ?!

Das Goldene Vlies war nach der griechischen Mythologie das Fell des Chrysomeles, eines goldenen Widders, der fliegen und sprechen konnte.

Der Feldherr, der bei Mantinea fällt, ist Epaminondas (* um 418 v. Chr. in Theben; † 3. Juli 362 v. Chr. bei Mantineia). Er gilt als größter Staatsmann Thebens und entwickelte die sogenannte Schiefe Schlachtordnung.

Verweise

Scharaden, Schiller