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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 11463

von Immanuel Gottlieb Moser

Rätsel

Blast mir den Staub von euren Bibeln ab,
Die euch die Mutter mit ins Leben gab,
Und sucht das Gleichnis von dem Sämann drin,
Und sucht ihm einen zweiten schönen Sinn.
»Ein Sämann ging, zu säen seinen Samen,
Die Würfe, die aus seinen Händen kamen,
Die fielen teils auf Wege, Dorn' und Stein,
So musste wohl die Frucht verloren sein.
Teils fielen sie doch auf ein gutes Land,
So keimten sie, so grünet' ihr Gewand,
Das Meer der Ähren wogte windbewegt,
Die Sonne hat ihr Gold hineingelegt;
So brachten Früchte sie, bald dreißigfältig,
Bald sechzigfältig, ja selbst hundertfältig.«
»Die Saat ist Gottes Wort; Weg, Dorn, die Welt;
Das Herz der Boden, drauf der Samen fällt.«
Sämann und Samen, Fels, Dorn, gutes Land
Und reife Früchte gibt auch der Verstand
Des Gleichnisses, den ihr nun suchen sollt,
Wenn ihr den zweiten Sinn drin finden wollt;
Allein der Sämann kennt die Früchte selten,
Die aus den Saaten keimen; neue Welten
Gehn oft aus einem schwachen Keim hervor
Und reifen zur Unsterblichkeit empor;
Oft kennt der Sämann selbst den Samen nicht,
Weil eben ihm der Mutterwitz gebricht;
Oft sät er auch in Dornen, auch auf Stein,
Dann kann die arme Saat nicht wohl gedeih'n;
Oft wandelt sich die ganze Saat in Tinte,
Die Frucht ist oft nicht mehr als leere Rinde:
So sagt mir denn, wie dieser Sämann heißt,
Und seine Saat; ihr Boden ist der Geist.

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Der Professor und die Wissenschaft

Verweise

Worträtsel, Moser, Räthsel/1838