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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 11225

von Johann Caspar Lavater

Rätsel

So hoch bin ich empor gestellt,
Bin groß und scheine klein!
Bin allzeit offen aller Welt,
Und allzeit doch allein!
Wie hoch, wie tief, wie weit und breit
Glänz' ich herauf, herab!
Auf mir ruht Sonnenherrlichkeit,
Tief unter mir das Grab!
Wie viel erspiegelt sich in mir!
Stadt, Berg und Tal und See!
Bald bin ich nahe, Donner, dir!
Bald trägt mein Scheitel Schnee!
Der erst und letzte Sonnenstrahl,
Und aller Sterne Schein,
Und Sichtbarkeiten ohne Zahl,
Sind mein und doch nicht mein!
Was kommt und geht, was bleibt und flieht,
Berührt unwissend mich.
O säh' ich alles, was mich sieht,
Wer sähe mehr als ich?
Der Laster ach! zu Stadt und Land,
Gott! Welch ein zahllos Heer!
Der Gnaden aber Deiner Hand,
Der Segnungen noch mehr!
Säh' ich der Bosheit List und Macht –
Dein duldend Angesicht –
Mein Schimmer würd' erst, wie die Nacht,
Dann wieder hell, wie Licht.

Lösung anzeigen

Der Knopf am St. Petersturm in Zürich, den 26. Juni 1780

Quelle

Johann Caspar Lavater, Vermischte gereimte Gedichte, Steiner, 1785, Seite 448

Verweise

Rätsel