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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 8956

von Leopold Enk von der Burg

Rätselgeschichte

Die Braut

»Also hat er sich bereits eine Braut ausgesucht«, sagte Herr Hell zu seinem Paten Eduard, der zugleich sein Mündel gewesen, und erst vor einigen Wochen mündig geworden war.

»Die älteste Tochter des Assessors Lindenhayn. Ich hoffe Sie werden meine Wahl billigen, Herr Hell.«

»Ich? Allerdings; das versteht sich. Ich billige jetzt alles. Er ist ja mündig.«

»Auch, darf ich behaupten, besitzt meine Braut so viele Vorzüge — «

»Das will ich meinen. Ein charmantes Kind, ein ganz allerliebstes Kind, das Fräulein von Lindenhayn. Nur wünschte ich, dass es mit ihren Sinnesorganen ein bisschen anders bestellt wäre.«

»Mit ihren Sinnesorganen? Sie setzen mich in Verwunderung. Was ließe sich in dieser Hinsicht gegen meine Braut einwenden? Ihre Sinne sind fast durchaus so scharf und fein, wie sie das nur sein können.«

»Das will ich meinen. Feine, ganz ungemein feine Organe. Aber das ist es ja eben, war um mir für ihn ein wenig bange ist. Er glaubt nicht, wie gefährlich es ist, wenn die Sinneswerkzeuge bei einer Frau gar zu fein sind.«

»Sie scherzen, Herr Vormund.«

»Dass dich — Scherzen? warum nicht gar. Betracht' er sich die Sache nur selbst ein wenig genauer. Vom Tastsinn wollen wir anfangen. Fräulein Lindenhayn hat da so zarte Hände, so zarte Hände —«

»Wie Samt und Seide.«

»Das ist es ja eben. Ich will gar nichts davon sagen, wie gefährlich es ist, von solchen Händen gestreichelt zu werden. Aber so seidenweiche Händchen mögen in einer Haushaltung durchaus nichts angreifen, was nicht so weich ist, wie Samt und Seide; und was das Schlimmste ist — bekommen sie tausend und wieder tausend Goldstücke zwischen die Finger, so verursacht das scharfe Gepräge diesen so empfindliche Schmerzen, dass sie fast gezwungen sind, dieselben gegen Dinge, welche sich weicher anfühlen, z. B. gegen Seide, Flor, Spitzen, Shawle und andern *** auszutauschen.

Das Wort ist dreisilbig. Die beiden ersten Silben sind der eigentlichen Bedeutung nach kleine Plättchen, bald aus kostbarem, bald aus wertlosem Stoffe; sind der Form nach fast immer rund. und schmucken die Hoheit, wie die Armut, die Verwesung, wie das frische Leben, die Trauer, wie die Freude. Die letzte Silbe, rückwärts gelesen, nennt zu gleicher Zeit ein Gewicht, eine Münze, eine Provinz, und einen zum physischen Leben wesentlichen Bestandteil des menschlichen Körpers a).

»Und dann ihr Gehör, »fuhr Herr Hell fort.

»Das ist gewiss äußerst fein. Malchen merkt es, wenn eine Saite ihres Fortepiano um einen Sechzehntel-Ton verstimmt ist.«

»Sieht Er! Das macht mir eben bange. Auch bei dem besten Manne verstimmt sich leicht eine oder die andere Saite. Ist nun das Gehör einer Frau gar so überfein, dass jedes Sechzehntel einer verstimmten Saite ihr Ohr verletzt: was lässt sich da anders erwarten, als Verdruss und Ungeduld. Eine gute Frau muss solche einzelne Missklänge, wenn sie nicht auffallend sind, gar nicht bemerken: und bemerkt sie dergleichen, immer zuerst bei sich selbst den Stimmschlüssel anwenden. Nur das gibt in der Ehe guten —

Hörbares bezeichnet die zweite Silbe, und das Ganze des zweisilbigen Wortes. Trenne beide Silben, und nie können sie, getrennt gelesen, das Ganze geben b).

»Was nun die Feinheit des Geruchsorganes betrifft — «

»Was können Sie nur dagegen einzuwenden haben? Der unschuldigste aller Sinne!«

»Ei doch.«

»Nu freilich, Sie sind ein Rancher.«

»Ein Raucher! dass dich— Freilich ist es der Rauch, der die Sache bedenklich macht. Aber nicht der Ranch von Kanaster oder Zigarren, sondern der Küchenrauch. Er glaubt es gar nicht, was so ein überfeiner Geruch gegen den Küchenrauch für eine Antipathie hat; eine ungleich größere als gegen —

Aus dem Ersten erstand das Zweite, und aus dem Ganzen einst das Reizendste was Erd' und Himmel gesehen hatten, und was bestimmt war, der Erde, wie dem Himmel, ihren heitersten Reiz zu geben c).

»Von Malchens feinem Geschmack —«

»Ach, der feine Geschmack! Ums Himmelswillen, lieber Pate — Feiner Geschmack! Mir wird schlimm, Pate, so oft ich das Wort höre. Vollends von einem Frauenzimmer. Ich kann mir nicht helfen: aber ich sehe es denn gleich im Geiste mit der Wage in der Hand vor mir stehen, und Goethe und Schiller haarscharf gegeneinander abwägen. Und wenn das noch Alles wäre. Aber es gibt keine Ehe, in der nicht hin und wieder etwas Herbes mit unter liefe: und so ein recht feiner Geschmack, wie ihn Malchen hat, verlangt immer und immer nur nach —

Das erste Silbenpaar des Wortes, welches der alte Herr hier im Sinne hat, stammt aus dem Gewächsreich. Ein glühender Himmel reift es, und mit Schweiß und Tränen wird es begossen. Wenn esö zu Staub geworden, wird es mit Blut gedüngt, und gleicht in seiner letzten Verwandlung einem Bürger des Mineralreiches. Das zweite Paar verlangt auch der Genügsamste, mit wie wenig Raum er sich auch gerne bescheiden mag, im Himmel, auf Erden, und im Herzen eines wackeren, mit nicht gar zu überfeinen Sinnen ausgestatteten Mädchens d).

»Zuletzt müssen Sie mir meine Braut doch noch gelten lassen, Herr Hell.«

„Gelten lassen? Tu ich denn das nicht gerne; und ist er denn nicht vollkommen Herr seines Willens.«

»Ich meinte nur, selbst Ihren Grillen nach; denn Malchen hat ein ungemein schwaches Gesicht.«

«Weiß es, weiß es; recht gut weiß ich es. Ein ungemein schwaches Gesicht! Ich habe sie neulich am Fenster beobachtet. Da ging erst der alte Baron—vorbei, und eine Weile darauf der alte Graf —, deren Beider Ruf mehr, als zweideutig ist. Beide grüßten zu Malchen hinauf, und Keinen sah sie. Hm! dachte ich bei mir selbst; am Ende ist es von den vielen unklugen Streichen meines Mündels noch immer nicht der unklügste, wenn er das Mädchen zur Frau nimmt. So dachte ich. Aber sieht er: Abends bin ich im Parterre. Da kömmt auch sein Malchen hereingerauscht. Links und rechts grüßten die jungen Herren von der Garnison. Hm, dachte ich; ihr habt gut grüßen und nicken: sie sieht euch nicht. dass dich — sieht euch nicht! Alle hat sie sie gesehen, und nicht einen Augenblick ruhte ihre Lorgnette.«

Einen Teil des menschlichen Körpers bezeichnet die erste, ein Verhältnis des Raumes die zweite, und ein Kunstprodukt die dritte Silbe des Wortes, welches die Puristen statt des obigen Fremdwortes uns geboten haben e).

Lösung anzeigen

a) Flitterkram; b) Einklang; c) Meerschaum; d) Zuckerplätzchen; e) Handfernglas

Verweise

Rätselgeschichten, Enk