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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 7500

von Elisabeth Ebeling

Rätsel

Erste Szene.

Personen:

Die Königin.
Erstes Mädchen
Zweites Mädchen
Drittes Mädchen
Viertes Mädchen.
Ein Kaufmann.

(Die Königin, welche zugleich Halbgöttin ist, muss möglichst reich gekleidet sein, und die jungen Mädchen müssen, da die Handlung in Griechenland geschieht, in waltende, wo möglich, weiße Gewänder gekleidet und mit Blumenkränzen geschmückt sein)

Die Mädchen (tanzen, alle einen Kreis bildend, und sprechen dabei im Chor)

Lasst uns tanzen, lasst uns singen,
Und der Hebe Gaben bringen,
Rote Rosen lasst uns pflücken,
Hebes Götterbild zu schmücken!

Erstes Mädchen (aus dem Kreis der Tanzenden tretend, welcher sich nach Beendigung des Gesanges auflöst).

Ja, Hebes Bild wollen wir bekränzen, sie ist die Göttin, welche ich liebe. In ewiger Jugend wandelt sie unter den Himmlischen einher, sie ist die Schützerin der frohen, unschuldigen Spiele, sie sieht freundlich auf uns herab und freut sich unserer Gaben und unserer Tänze.

Zweites Mädchen.

Nein, Venus Tempel lasst uns mit duftigen Blumen zieren. Aphrodite die Schöne, die Anmutsvolle, ist meine Göttin.

Drittes Mädchen

Ich bete zu Juno, zur hohen Gemahlin des Donnerers. Here, die majestätische Göttin, verehre ich mit ehrfurchtsvoller Bewunderung.

Erstes Mädchen (spottend).

Here, die Eifersüchtige?

Zweites Mädchen.

Here, die Zänkische?

Viertes Mädchen (welches bis jetzt teilnahmslos bei der Königin gestanden).

Meine Göttin ist Minervs. Ich bete zu Mars. Mars und Minerva, der Mut und der Krieg, das sind die Götter, denen ich diene und denen ich mein Leben geweiht habe.

Erstes Mädchen (befremdet).

Mars und Minerva? Du scherzest, wie könntest Du die Grausanten verehren!

Zweites Mädchen.

Mars, der nur Tränen und Klagen verursacht, den alle sanften Herzen verabscheuen, ihn hast Du zum Schutzgott erwählt?

Drittes Mädchen.

Du treibst Spott mit uns.

Viertes Mädchen (stolz).

Nein, ich verehre den mutigen Ares, ich beuge meine Knie vor dem Bringer der Schlachten.

Königin (leise und ängstlich zum vierten Mädchen)-

Mein Kind, ich beschwöre Dich, sei vorsichtig, Du wirst Dich verraten.

(Laut.)

Seid friedlich, Ihr Mädchen, tanzet und spielet, freut Euch Eurer Jugend und lasst das Streiten.

Erstes Mädchen.

Ja, lasst uns Frieden schließen und von Neuem den Ringtanz beginnen.

(Die Mädchen schließen einen Kreis und tanzen wie zuerst, indem sie
im Chor dazu sprechen)

Schön sind der Jugend liebliche Tänze,
Schön sind des Frühlings duftige Kränze —

Viertes Mädchen (welches nicht mitgesprochen, den Tanz unterbrechend und hastig aus dem Kreis der Tanzenden tretend, der dadurch sich auflöst).

Die Blumen des Frühlings? Sie sind ein eitler Tand, ein unnützer Schmuck, ich verachte sie und werfe sie von mir!

(Sie reißt den Kranz, den sie getragen, vom Kopfe und wirft ihn zur Erde)

Erstes Mädchen (befremdet).

Du verachtest die holden Kind er der Flora?

Zweites Mädchen.

Sind nicht Blumen die Symbole der Jugend, und Du willst sie mit Füßen treten?

Viertes Mädchen (schwärmerisch).

Ich kenne nur einen Kranz, der es wert ist, das Haupt zu zieren, es ist der Olivenkranz

Königin (leise und dringend zum vierten Mädchen).

Mein Kind, ich beschwöre Dich zu schweigen — bedenke die Todesangst Deiner Mutter!

(Der Kaufmann tritt auf; er ist nach griechischer Art in ein langes Gewand gekleidet und trägt einen mit verschiedenen Gegenständen beladenen Korb, in dem sich auch ein durch Tücher verhüllter und versteckter Helm befinden muss.)

Kaufmann.

Salve! Ist es gestattet, hohe Frau und liebliche Jungfrauen? Erlaubt Ihr es dem armen Kaufmann, in Eurer Nähe zu weilen und seine Waren anzubieten?

Königin.

Es sei Dir gestattet.

Kaufmann.

Ich habe Perlen und Edelgestein,
Getriebene Kruge von goldigem Schein,
Agraffen und Ketten, herrlich und reich,
Und wärmende Stoffe, schrniegsam und weich.
Ich bring' Euch Gewebe, so lustig und klar,
Und köstliche Salben dem lockigen Haar.
Ihr findet Gewänder von schneeigern Lein,
Ambrosische Öle und zyprischen Wein,
Ich habe Saphire von himmlischen: Blau,
Demanten so rein, wie schimmernder Tau.
Hier schauet Ihr Spangen von strahlendem Glanz
Und leichte Sandalen zum schwebenden Tanz.
Hier Spangen und Ringe für Finger und Arm,
Hier zottige Decken, weich, wollig und warm;
Hier Kannen und Becher von edlen Metallen,
Hier zierliche Gürtel und kunstvolle Schnallen
Ein jegliches; Ding zum Gebrauch und zur Zier
Für Frauen und Mädchen, Ihr findet es hier!

(Während der Kaufmann gesprochen, haben die Mädchen mit Ausnahme des vierten, erwartungsvoll zugehört; jetzt treten sie neugierig an den Korb, der die Waren enthält, nur die vierte bleibt, in finsteres Sinnen verloren, seitwärts stehen)

Erstes Mädchen.

Seht jene Rubinen, wie herrlich sie funkeln und jene Ringe mit blauen Saphiren.

Zweites Mädchen.

Ich nehme den Schleier von zartem Gewebe.

Drittes Mädchen.

Und ich die Sandalen und die goldnen Spangen

Zweites Mädchen (eines der Tücher anfühlend).

Wie weich ist die Wolle, wie warm ist der Stoff.

Erstes Mädchen.

Mir gefallen die Kannen und Krüge

Zweites Mädchen.

Ich ziehe den gewirkten Gürtel vor.

Königin.

Und mir reichet den Diamanten, der den Strahl der Sonne durch sein Licht zu beschämen scheint.

Erstes Mädchen (zum vierten Mädchen)

Und Du bist die einzige, die unsere Freude nicht teilt? Weshalb kommst Du nicht heran, um mit uns zu wählen, um Dich mit uns an diesen herrlichen Juwelen, an diesen schönen Stoffen zu erfreuen?

Zweites Mädchen.

Ja, komm, verscheuche den Trübsinn, der Deine Seele umdüsiert Sieh diesen weichen, durchwirkten Mantel.

(Sie zieht das vierte Mädchen zu dem Korbe des Kaufmanns und hebt das Tuch, unter dem der Helm verborgen gewesen, in die Höhe, wodurch dieser sichtbar wird)

Viertes Mädchen (auffahrend und den Helm ergreifend)

Was ist das? Ein Helm!

Kaufmann.

Lasst ihn, zarte Jungfrau! Nicht ziemen Euch die Waffen des Krieges, die nur durch Zufall unter meine Ware gekommen find.

Viertes Mädchen (begeistert).

Kein Zufall war's, es war« der Götter Fügung!

(Drückt den Helm auf ihr Haupt)

Erstes Mädchen (befremdet).

Was ficht Dich an, welch böser Geist beseelt Dich?

Zweites Mädchen.

Bist Du von Sinnen? Hat Dich Mars betört?

Viertes Mädchen (kühn).

Er tat's — er sendet mir den Helm zum Zeichen, dass ich ihm folgen soll, er —

Königin (welche mit wachsender Angst zugehört, sie hastig unterbrechend)

Mein Sohn, bei allen Himmlischen beschwör ich Dich —

Erstes, zweites, drittes Mädchen (zusammen, im Tone des höchsten Staunens)

Dein Sohn? Ein Mann bei unseren Spielen?

Erstes Mädchen.

Ein Mann in Weiberkleidern?

Viertes Mädchen (kühn und stolz)

Ja, ich bin ein Mann, ein Mann voll Kraft und Mut. Fort mit der Lüge, ich verachte die feige Verstellung. Nicht länger mag ich scheinen, was ich nicht bin und wozu mich nur die Bitten meiner Mutter bewogen hatten.

Königin (händeringend)

Mein Sohn — mein einziges Kleinod.

Ihr Sohn (ohne auf sie zu achten)

Jetzt ist es entschieden,
Ich zieh' in den Krieg,
Mich locket der Ruhm,
Mir winket der Sieg.

Ich achte nicht Wunden, Gefahren und Tod,
Ich folge der Götter, des Schicksals Gebot.

(Ab mit erhobener Rechten)

Königin (ihm nachblickend).

Er geht — ich arme, arme Mutter. (Verhüllt ihr Gesicht)

Erstes und zweites Mädchen (neugierig).

Erkläre uns das Rätsel.

Drittes Mädchen.

Sprich, weshalb gabest Du ihn für Deine Tochter aus?

Königin.

Ich tat's, weil mir das Orakel geweissagt, dass er seinen Tod in Ilium finden würde. Ich hoffte ihn auf diese Weise bewegen zu können, daheim bei feiner Mutter zu bleiben. Ach, es war umsonst, die Götter haben entschieden, ich soll ihn verlieren.

Erstes Mädchen.

Du arme Mutter!

Königin (mit tiefem Schmerz)

Er geht in den Tod —- kehrt nimmer zurück,
Mein Sohn — mein einziges Kleinod, mein Glück!
Er hat mich verlassen — ich half ihn verloren,
Der Pfeil des Verräters, er wird ihn durchbohren!

(Nach einigem Sinnen, etwas lebhafter)

Und doch bin ich Göttin und habe die Macht,
Den Sohn zu entreißen der tödlichen Nacht!
Ich kann ihn zum hohen Olympos erheben,
Dort soll er vereint mit den Himmlischen leben.

Zweite Szene

Personen:

Ein Krieger.
Eine Göttin.

(Der Krieger ist nach griechischer Art in ein wallendes kurzes Gewand gekleidet. Cr ist zuerst allein auf der Bühne und ohne Waffen)

Krieger.

O! Mutter, Himmlische, kannst Du mich hören?
Vernimm mein Flehen, lind're meinen Schmerz.
Die Troer haben mir den Freund erschlagen
Und ewig trauern muss dies stolze Herz.

(Er verhüllt sein Haupt. Nach kurzem Schweigen auffahrend und seitwärts: blickend)

Was seh' ich, hat mein Ruf sie hergezogen —
Sie teilt die Fluten, sie entsteigt den Wogen,
Sie naht, um meine Bitte zu erfüllen,
Um meinen Schmerz, den wütenden, zu stillen.

Göttin (in einen grünen Schleier gehüllt, einen Heim, ein Schwert und einen Schild tragend).

Im Meeresschoße hab' ich Dich vernommen
Und bin zur Oberwelt hinaufgekommen.
Nicht kann ich Dir den Toten wiedergeben,
Er muss im Hades, bei den Schatten leben,
Doch will ich Dich mit Kraft und Muth beseelen,
Und Deinen Arm zum Rachewerke stählen.
Mit frischem Sinn will ich Dein Herz durchdringen
Und Dir zum Kampfe Götterwaffen bringen.

(Ihm den Helm aussetzend und ihn mit dem Schwerte umgürtend)

Zum grimmen Streite sei bewehrt
Mit starkem Heim und scharfem Schwert —

(Ihm den Schild reichend)

Nimm hier, um Unheil abzuwenden,
Den Schild aus des Hephaistos Händen —
Er möge schützend Dich bewahren
Vor jener Troer wilden Scharen.

Krieger (freudig)

Nicht fürcht' ich jener Troer rohe Mut,
Die Götterwaffen bringen Göttermut —
Mit ihrer Hilfe wird es mir gelingen,
Den Feind, den todverhassten, zu bezwingen.

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Achilles

Anmerkungen

Die drei Szenen basieren auf der griechischen Mythologie und das Sagenwelt um den Trojanischen Krieg. Die Königin ist Thetis, die Mutter von Achilles. Der Krieger ist Achilles. Der namenlose Freund, der vor Troja gestorben ist, ist Patroklos (der beste Freund von Achilles).

Verweise

Rätselgeschichten, Scharaden, Ebeling