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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 6300

von Elisabeth Ebeling

Scharade (1+1 Silben) in dramatischer Form

Erste Szene. Erste Silbe.

Personen:

Christoph Columbus.
Erster Grand von Spanien.
Zweiter Grand von Spanien.
Dritter Grand von Spanien. 
Vierter Grand von Spanien. 

(Die Granden haben bunte Mäntel auf den Schultern, die leicht aus Tüchern herzustellen sind, und Degen an der Seite. – Columbus sitzt mit ihnen an einer gedeckten Tafel, worauf sich unter anderen Gerichten auch eine Schüssel mit hartgekochten Eiern befindet. Columbus ist ebenfalls mit einem kurzen Mantel und einem Degen versehen)

Erster Grand (stolz und spöttisch zu Columbus)

Ich kann's, Herr Admiral, noch immer nicht ergründen,
Warum's so schwierig war, die neue Welt zu finden.

Zweiter Grand (ebenso)

Man gebe mir, Sennor, ein Schiff, das nöt'ge Geld
Dann find' ich, auf mein Wort, bald eine neue Welt.

Dritter Grand (ebenso).

Auch mir erscheint die Fahrt, gleich einem Kinderspiel,
Wenn ich's versuchen wolllt', käme gleich zum Ziel.

Vierter Grand (selbstgefällig)

Mir mangelt zu Entdeckungsreisen nur die Zeit,
Hätt' ich nur die — und wäre nicht der Weg so weit —

Columbus (unterbricht ihn und sagt ruhig lächelnd)

Sennors, Ihr habt wohl Recht, die Sache war nur leicht,
Ihr hättet sicherlich dasselbe Ziel erreicht.
Doch lasst uns, wenn's beliebt, für jetzt darüber schweigen,
Und lieber Euch von mir ein leichtes Kunststück zeigen.

(Er nimmt ein Ei)

Auf feine Spitze werd' ich stellen dieses Ei,
Ihr haltet dies gewiss auch nur für Kinderei?

Erster Grund (spöttisch).

Verzeiht, mein Admiral, darüber möcht ich lachen,
Das kann ein jedes Kind, ein jeder Dummkopf machen.

(Die vier Granden versuchen es, das Ei aufrecht zu stellen, doch gelingt es keinem)

Columbus (lächelnd, indem er die Schale durch einen leichten Stoß eindrückt und das Ei sogleich zum Stehen bringt)

Nicht so, Sennors, die Schale müsset Ihr zerdrücken,
Dann wird auch Euch gar bald dies leichte Kunststück glücken.

Zweiter Grand (erstaunt)

Die Schale eingedrückt? Das hätt' ich wissen sollen.

Dritter Grand

Auf diese Weise hätt' auch ich es machen wollen.

Columbus (ironisch)

Wohl habt Ihr Recht, Sennors, ich zweifle nicht daran,
Ihr alle hättet es wahrscheinlich auch getan.
Ich aber habe aufrecht dieses Ei gestellt —
Und habe wirklich sie entdeckt, die neue Welt.

Zweite Szene. Zweite Silbe.

Personen:

Ein Bauer
Eine Bäuerin.
Ein französischer Soldat.

(Der Bauer trägt eine Jacke und eine Zipfelmütze, die Bäuerin ein Kopftuch, der Soldat einen Säbel, Tornister und Czako. Der Bauer sitzt neben der Bäuerin an einem Tisch, er schläft, die Frau strickt oder spinnt. Es wird stark an die Tür geklopft, der Bauer fährt in die Höhe)

Soldat (eintretend).

Bon jour. Marsch! zeig' mir, Bauersmann,
Den Ort, wo ick logieren kann.

Bauer (die Augen reibend).

Grüß Gott. Was will er nur von mir?

Soldat (ihm einen Zettel zeigend).

Ick soll bei Ihm in die Quartier.

Bäuerin (beiseite).

Schon wieder einer? — Lieber Gott,
Man hat doch nichts als Plag' und Not.
Der letzte, der bei uns gehaust,
Hat alle Birnen uns gemaust –
Der stiehlt gewiss die roten Rüben,
Ach, wär' er doch daheim geblieben.

Soldat (der indessen seine Sachen auf einen Stuhl geworfen und Platz genommen hat).

Erst will ick mir's kommode machen,
Dann lieb zu Essen — kute Sacken,
Roti choux blancs und ein Klas Wein.

Bäuerin (mürrisch für sich).

Roti, roti? Was mag das sein?
Und blanke Schuhe soll ich schaffen?
Nun seh' mir einer diesen Laffen.

Bauer (hat ein Paar Schuhe hervorgeholt).

Hier ist mein allerbestes Paar,
Ich kauft' es erst im letzten Jahr.
Doch Wein kann ich, bei meinem Leben,
Euch nicht ein einzig Tröpfchen geben.

Soldat (wirft lachend die Schuhe in einen Winkel).

Parbleu, was will Er, dummer Wickt,
Souliers brauckt man zum Essen nickt.
Keb Er mir Eier — pommes de terre,
Mais tout de suite — mir (h)ungert sehr.

Bauer (zur Frau).

Geh, Gute, setz' Kartoffeln bei —
Mach Specksalat und Hirsebrei.

(Bäuerin ab)

Soldat (seinen Rock abstaubend).

Erst muss er nun vor allen Dingen
Pour me laver, mir Wasser bringen.
Nix (h)eiß; versteht Er, und nix kalt.
Allez vous en – marschier Er bald.

(Der Bauer geht hinaus und kehrt sogleich mit einer Schüssel voll Wasser zurück, worin — falls es gerade Winter« ist — sich Eisstücke befinden können. Der Soldat taucht beide Hände hinein, zieht sie aber sogleich erschrocken zurück und ruft:)

O weh, wie kalt, ist er verrückt?
C'est de la glace — o wie das zwickt.

Bauer (gutmütig).

Glas ist es nicht, nur Schnee und Eis.

Soldat (ärgerlich).

Nix kalt, nix (h)eiß, nix kalt, nix (h)eiß,
So hab' ick, Bauer, ihm befohlen.

Bauer.

Pardon, dann will ich andres holen.

(Er geht und bringt eine Schüssel mit kochend heißem Wasser. Der Soldat taucht einen Finger hinein und schreit entsetzt:)

Was fang' ick an! O weh, o weh!
Jck bin brule, es brennt wie feu.

(Er läuft, aus seinen Finger blasend, umher.)

Bauer (verblüfft, für sich)

Potz Element, was ist geschehen?
Ich kann den Menschen nicht verstehen.
Es wird mir nimmermehr gelingen,
Das rechte Wasser ihm zu bringen.

Soldat (wütend zum Bauern).

Wart nur, filou, ick will Dir slagen,
Will Dir beim Kommandeur verklagen.

Bauer (flehend).

Pardon, es war nicht unsere Schuld,
Hab Er doch, bitte, nur Geduld.

(Auf die Zuschauer· weisend)

Ich will die guten Leute fragen.

(Zu den Zuschauern)

Könnt Ihr mir nicht das Rechte sagen?

Soldat (sich halb an den Bauer, halb an die Zuschauer wendend).

Ja, frag' Er nur, ob keiner weiß,
Was is nix kalt und is nix (h)eiß.

(Beide ab. Unmittelbar darauf tritt die Bäuerin, wieder in ihrer gewöhnlichen Kleidung als junges Mädchen, auf die Bühne und spricht zu den Zuschauern.)

Das Ganze darzustellen ist
Zu schwer für uns gewesen;
Doch werden Sie auch ohnedies
Gar bald dies Rätsel lösen.

Ein Schlachtfeld ist's, wo Bonapart
Die Russen fast bezwungen —
Wo L'Estocq mit den Preußen einst
Den Lorbeerkranz errungen.

Lösung anzeigen

Ei + lau = Eilau

Anmerkungen

Die Schlacht bei Preußisch Eylau war eine militärische Auseinandersetzung zwischen der russischen Armee unter dem Kommando von Levin von Bennigsen und der französischen Grande Armee unter dem Kommando von Napoléon Bonaparte im Jahr 1807. Sie dauerte vom 7. bis 9. Februar und brachte trotz schwerer Verluste auf beiden Seiten kein eindeutiges Ergebnis.

Anton Wilhelm von L'Estocq (* 16. Aug. 1738 in Celle; † 5. Jan. 1815 in Berlin) war ein preußischer General der Kavallerie. Im Vierten Koalitionskrieg nahm er 1807 mit seinem Stabschef Gerhard von Scharnhorst an der Schlacht bei Preußisch Eylau teil und wurde danach mit dem Schwarzen-Adler-Orden ausgezeichnet. Der Erfolg bei Eylau wurde Scharnhorsts Planungen zugeschrieben, der dafür den Orden Pour le Mérite erhielt.

Verweise

Rätselgeschichten, Scharaden, Ebeling