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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 5475

von Karl Gottlieb Prätzel

Scharade (2+2 Silben)

Die erste Hälfte lässt die Spur der flieh'nden Jugend
Lässt dich verwelkte Myrtenkränze sehn,
Doch sieht du auch dabei des Weibes Tugend
In ihrer heiligsten Vollendung stehn!
Ein Name ist's, der selbst dem rohen Wilden
Verehrlich stets und teuer war.
Auf öder Flur – auf Lustgefilden
Steht sein geheiligter Altar;
Ihn hat schon – nimm die Schrift zur Hand –
Der dritte Erdensohn gekannt,
Ihn wird noch in den fernsten Tagen
Die Dankbarkeit im Herzen Tragen!

Die zweite Hälfte ist, wie unsre Dichter melden,
Ein süßer Schmerz, ein Herzenstausch,
Ein schmeichelnd Gift, ein Götterrausch,
Ein Talisman, der Weichlinge zu Helden,
Zum frommen Lamm den Tiger macht.
Zum Himmelskind, das rein in reinen Seelen lacht,
Zum seel'gen Strahl der ew'gen Schöne
Erhuben einst sie Platons Töne;
Zur feilen Sinnenlust der tierischen Natur
Erniedrigt sie der Lästrer Epikur!
Einst frug ich die geschwätzige Belinde,
Was sie beim Nachtigallenton,
Beim süßen Hauch der Abendluft empfinde?
Sie nannte mir das Wort, und ich – o schwere Sünde!
Ich wurde rot und – lief davon!

Zum Ganzen lass jetzt deinen Blick sich wenden;
Es ist ein Trieb, der, treu gepflegt,
Für Ewigkeiten Früchte trägt;
Die schönsten Werke zu vollenden,
Hat ihn Natur der zarten Brust vermählt;
Doch siehet man ihn sonder Maß verschwenden,
Dann ist sein großer Zweck verfehlt!
Dem Edlen darf ich's nicht erklären,
Des Wortes Deutung ist ihm klar;
Er wird im späten Silberhaar
Den treuen Engel noch verehren,
Der seiner Kindheit Hüter war!

Lösung anzeigen

Mutter + Liebe = Mutterliebe

Anmerkungen

Epikur (* um 341 v. Chr. auf Samos; † 271 oder 270 v. Chr. in Athen) war ein griechischer Philosoph und Begründer des Epikureismus.

Quelle

Karl Gottlieb Prätzel: Vermischte Gedichte
Nestler, Hamburg, 1810
Seite 84

Verweise

Scharaden, Prätzel