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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 4740

von Gustav Feuerlein

Scharade (1+1 Silben)

Du siehst die erste Silb' am hellen Tage,
Du siehst sie öfters auch um Mitternacht,
Am Abend sie, wann Philomelens Klage,
Sie Morgens, wann der Lerche Lied erwacht;
Zu Land, zur See, wenn nach des Schiffers Sage
Der Kiel das Meer durchfurcht in schwüler Nacht;
Du siehst sie auf des Lotsen hohem Turme,
Am Holz und Käfer, Sonnenball und Wurme.

Verschmäht vom Frommen, schätzt sie nur der Pfaffe,
Der sein gesalbtes Haupt damit umflicht;
Sie ist des Heuchlers Helm, ist seine Waffe,
Womit er gegen die Entlarvung ficht;
Sie ist der Wirklichkeit und Wahrheit Affe,
Der hämisch Aug' und Herz zugleich besticht:
Weltweisheit konnt' und kann sie nicht besiegen,
Und Hegel, so wie Thales, nur bekriegen.

Du triffst in Ost und West, an beiden Polen
Die zweite Silbe leidverbreitend an;
Und jeder ist vom Haupt bis zu den Sohlen
Durch die Geburt bereits ihr Untertan;
Doch ihr Despotenrecht zu wiederholen
An Einem zweimal, glückt ihr einzig dann,
Wenn sie sich einigt mit der ersten Silbe;
Sonst gilt der Mensch so viel ihr als die Milbe.

Trifft Dich das Ganze – gut! Aus Weh' wird Wonne,
Wird zeitig nur die erste Silb' erkannt:
Wo nicht, nimm Abschied von der schönen Sonne,
Denn Du wirst in die Unterwelt gesandt.
Du fühlst, was einst in seiner Foltertonne,
Treu seinem Worte, Regulus empfand;
Ach! unter Würmern siehst Du Dir gebettet,
Wo Dich nur das Talent des Maulwurfs rettet.

Lösung anzeigen

Schein + Tod = Scheintod

Anmerkungen

Du fühlst, was einst in seiner Foltertonne, Treu seinem Worte, Regulus empfand bezieht sich möglicherweise auf ein Gedicht von Appolonius von Maltitz, Drei Fähnlein Sinngedichte, 1844:

Verschiedenheit der Ansichten
Diogenes: O sich're Zuflucht, kühle Tonne!
Regulus: O Hölle, Folter, Stacheln, Sonne

Philomele ist eine dichterische Bezeichnung für die Nachtigall. Philomele und Prokne waren Schwestern und Töchter des Königs Pandion von Athen, welcher die letztere dem thrakischen Fürsten Tereus zur Gemahlin gab, dem sie einen Sohn Itys gebar. Auf ihren Wunsch holte Tereus die Philomele von Athen ab, um sie zu ihrer Schwester zu bringen, entehrte sie aber unterwegs, und damit sie ihn nicht verraten könne, sperrte er sie ein und schnitt ihr auch noch die Zunge ab. Prokne aber gab er vor, Philomele sei unterwegs gestorben. Philomele stickte ihre Geschichte jedoch in ein Tuch und fand Gelegenheit, dieses ihrer Schwester zuzuschicken, von der sie hierauf an einem Bacchusfeste befreit wurde. Aus Rache fassten die Schwestern nun den unmenschlichen Vorsatz, den Itys zu schlachten und seinem Vater vorzusetzen, und während er noch davon aß, trat Philomele mit dem Kopfe seines Sohnes ins Gemach. Verfolgt vom Tereus ergriffen die Schwestern die Flucht, auf der Philomele in eine Nachtigall, Prokne in eine Schwalbe, Tereus in einen Wiedehopf, außerdem noch Itys in einen Fasan verwandelt und Philomele mit beständiger Schlaflosigkeit bestraft wurden.

Thales von Milet (* um 624 v. Chr.; † um 547 v. Chr.) war ein antiker griechischer Philosoph, Mathematiker und Astronom, der in Milet lebte.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (* 27. Aug. 1770 in Stuttgart; † 14. Nov. 1831 in Berlin) war ein deutscher Philosoph, der als wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus gilt.

Verweise

Scharaden, Feuerlein