Logo
Rätselgedichte, Rätselreime

≡ ► ◄ ▲

Rätselgedicht Nr. 4683

von Karl August Engelhardt

Scharade (2+2 Silben)

Erstes Silbenpaar.

Man kann es führen – kann es sein –
Wer's führt, ist aller Achtung würdig,
Den Nützlichsten wohl ebenbürtig.
Wer's ist, sei's ja nur winzig klein!
Wer's führt, oft auch zugleich es ist,
Wer's ist, versteht's oft nicht zu führen;
Wer's führt – doch schon genug Ihr wisst,
Der Sache weiter nachzuspüren;
Ich führt' es nie, könnt's auch nicht führen.
Dass ich es, weder groß noch klein,
Nicht war, nicht bin, nicht werde sein,
Verdank' ich einzig nur den Lieben,
Die, als ich noch im Ganzen stand,
Dies Silbenpaar mit Mund und Hand
So klug, als gut, aus mir getrieben.

Es stellt das zweite Silbenpaar
Sich geistig stets, nie leiblich dar,
Drum will ich Euch nur so durch Zeichen
Den Rätselschlüssel freundlich reichen.

Ihr habt es auf der Lebensbahn
Nur erst vom zweiten Jahre an –
Im ersten könnt ihr's nie erlangen.
Es malt Euch Rosen auf die Wangen –
Es ringelt goldgelockt das Haar –
Doch nimmt's – ein ewiger Korsar –
Und fielt Ihr bittend vor ihm nieder –
Den Schmuck, den es Euch gab, auch wieder;
Es kommt und geht, Ihr seht es nicht –
Verschwindet erst vorm Sarkophage;
Ist stumm – und gibt doch Unterricht
In allgemein erprobter Sprache.
Es kommt und geht, Euch unbewusst;
Und mag es schleichen, mag es eilen,
Euch bringend Schmerz, Euch zaubernd Lust,
Es darf nicht ein Sekündchen weilen.
Ist's endlich – wie man saget – da –
Ade dann Lebensgloria!!!

Das Ganz' ist ein Art von Münze,
Geprägt mit Jugend–Helm und Schild,
Die in der goldnen Zeit nur gilt,
Wo bald Gelache, bald Gekrinze
Aus einem Aug' und Herzborn quillt.
Es kommt und hält so seine Zeit;
Man sieht's nicht kommen, sieht's nicht gehen –
Wer's hat, dem zaubert's Seligkeit,
Die, die's nicht haben, nicht verstehen.
D'rum, wär man nicht so glücklich drin,
's wird einem – derb oft – ausgetrieben.
Nun habt Ihr doch des Rätsels Sinn? –
Ein leichtres ward wohl nie geschrieben –
Noch Eins – Jean Paul – doch, nein, nein!
Zu gut muss man doch auch nicht sein –
Zu gut hat manches schon verdorben –
Zu dem, an einer Rätselnuss –
Und schuf sie noch so viel Verdruss –
Ist noch kein Knacker je gestorben.

Lösung anzeigen

Flegel + Jahre = Flegeljahre

Anmerkungen

Gekrinze (veraltet) = Grinsen

Jean Paul (* 21. März 1763 in Wunsiedel; † 14. Nov. 1825 in Bayreuth; eigentlich Johann Paul Friedrich Richter) war ein deutscher Schriftsteller. Sein Werk steht literaturgeschichtlich zwischen den Epochen der Klassik und Romantik.

Flegeljahre ist ein Roman von Jean Paul, der 1804 und 1805 bei Cotta in Tübingen erschien. Darin wird über die Zwillingsbrüder Walt und Vult – zwei darbende Musen- und Schulzen-Söhne – und auch über Bürger sowie Adlige in den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts in Franken und Umgebung erzählt.

Verweise

Scharaden, Engelhardt