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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 3531

von Leopold Enk von der Burg

Kettenscharade

Der Talisman

Es wäre eine recht hübsche Sache um einen Talisman, wie wir dergleichen in den Feenmärchen erwähnt finden; irgend einen Ring mit magischen Zeichen, der seinem Besitzer die geheimsten Kräfte der Natur und die ganze Geisterwelt dienstbar machte, aus jeder Gefahr ihn rettete, ohne dass er auch nur den Finger viel zu rühren brauchte, und ihm die Erfüllung jedes Wunsches sicherte, aus welcher Grille oder Laune er auch immer im Gehirne, wie eine Blase auf stehendem Wasser, auffahren möchte. Aber leider gibt es keine Feen, wenigstens keine guten, mehr; und somit auch keine Talismane, wie jene sie an ihre Günstlinge zu verschenken pflegten. Einen einzigen gibt es noch; und was ihr immer zu erstreben, was ihr immer zu erreichen wünscht: nur durch ihn vermögt ihr es zu gewinnen.

Wenige Zeichen nennen ihn. Es ist gegen alle übliche Sitte, das Wort einer Charade so gar unbestimmt zu bezeichnen; allein: erstens, ziehe ich, wie der scharfsinnige Leser vielleicht bereits bemerkt haben wird, bei Stellung der Aufgabe so oftmals einzig meine Laune, meinen Eigensinn, oder meine Bequemlichkeit zu Rate, dass ich nicht einsehe, warum ich es nicht auch diesmal tun sollte; zweitens, je schwieriger die Lösung ist, desto mehr Ehre wird es dem Witze des Lesenden bringen, sie gefunden zu haben; und drittens, denk' ich, verdient es ein Talisman, der so viel leistet, wie der fragliche, gar wohl, dass man sich ein wenig den Kopf darum zerbreche.

Also zur Sache.

Vier Zeichen deuten an, was Jeder nach außen hin zu sein wünscht, und keiner nach außen hin zu sein vermag, wenn er es nicht zuerst in sich selbst geworden ist. Verbinde damit die Zeichen, welche dir den zu suchenden Talisman nennen, und das Ergebnis ist eines der unzweideutigsten Siegel männlicher Kraft und männlichen Wertes. Es beweist, du seist bereits im Besitze jenes Talismans, und du habest ihn mit richtigem Sinn zunächst dazu angewendet, was jene vier ersteren Zeichen besagen, durch dich selbst und in dir selbst zu werden. Dadurch aber, doch auch nur dadurch allein, wird das fragliche Wort zum kräftigen Talisman gegen den zuversichtlichen Übermut der Macht, wie gegen den gleißenden Häuchelschein der Verstellung und die niedrigen Künste arglistiger Falschheit. [1]

Bist du, was jene vier ersten Zeichen besagen in dir selbst, und durch dich selbst geworden: so bist du auch, was vier andere bezeichnen, und was der Mann immer sein soll, weil er nur dadurch Mann ist. Füg' zu diesen letzteren vier Zeichen jene des Talismans: so bist du durch das Ganze gefeit gegen alle Tücke des Schicksals, und gegen alle Wacht des Unglücks. Erdrücken, zermalmen kann dich dann jenes, erschüttern dieses; aber weder zu beugen vermag "dich jenes, noch dieses dich dir selbst zu entreißen. [2]

Nicht das Unglück allein ist schwer zu ertragen, auch das Glück. Jenes findet uns jederzeit, zum Teil wenigstens, gerüstet: im Glück erwachen tausend feindselige Dämonen, die in unsrer Brust schlummern, um unser Glück zu zerstören. Nur wenn zu den Zeichen des Talismans, welcher hier in Frage steht, fünf andere Zeichen sich fügen: nur dann ist dein Glück fest gegründet; denn unabhängig von Fortunens Launen ruht es in deinem eigenen Busen. Ich soll diese fünf Zeichen näher bestimmen? Das ist schwer; denn sie bezeichnen, was strenge genommen nicht zwei Dinge in der Welt sind, und eines nicht sein kann; und was nur Zeichen, als Andeutung von etwas Unbestimmten, oder als Ausdruck von etwas Bestimmten, aber eben nur als bloße Zeichen sind [3].

Wenn die Zeichen des fraglichen Talismans in ihrer Zusammensetzung mit anderen Zeichen, wie ihr bisher gesehen haben werdet, immer wieder einen andern Talisman geben , wovon der Erste euch vor den Netzen der Arglist bewahrt, oder sie euch zerreißen lehrt; der Zweite für die einzige feste Waffe gegen das Unglück gelten kann, und der Dritte euch das Glück, wie das Unglück mit heiterer Ruhe ertragen lässt: so verschaffen jene ersten Zauberzeichen mit fünf anderen Zeichen verbunden, euch einen vierten Talisman; nicht weniger wert, als die übrigen: denn er gewinnt euch alle Herzen; er gibt euren Bitten eine Macht, der selbst die raueste Harte nur selten zu widerstehen vermag; und beschwichtigt, wie schmeichelnde Flötentöne den Schmerz und den Wahnsinn, selbst die wildesten Stürme der aufgeregten Leidenschaft [4].

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Mut

Anmerkungen

1. Freimut; 2. Starkmut; 3. Gleichmut; 4. Sanftmut

Verweise

Kettenrätsel, Enk