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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 2353

von Rudolf Hagenbach

Rätsel

Hell hatte doppelt mich, der Geßler einfach nur,
Im Flug erhasche mich, in Luft, in Wald und Flur;
Wo Land und Leute sind, stell' ich mich gleich voraus,
Mach' Händeln gleich ein End', misch' mich in keinen Strauß.
Mich hat der wilde Leu gemeinsam mit dem Lamme;
Ich leb' in wilder Flut, in lichterloher Flamme.
Der Himmel geht zu End' mit mir, die Hölle nicht,
Was lehrt, das lehrt durch mich von Glaub' und Liebespflicht.
Auch wäre ohne mich das Leben gar zu eben;
Drum bin zu Lust und Leid ich immer beigegeben.
Kein Los ist ohne mich den Sterblichen gefallen,
Ich lehre schon das Kind nach meinen Lauten lallen;
Ja mit der Muttermilch schlürft mich der Säugling ein,
Und auf des Grabes Loch setz' ich den Leichenstein;
Nur in die Gruft geh' ich nicht selber mit hinab;
Mich kennet nicht die Gruft, nicht Tod, nicht Sarg und Grab.
Die Gottheit will mich nicht; doch Engel so als Teufel,
Die haben Teil an mir, die Mängel wie die Zweifel;
Durch mich hat Raphael erst seinen vollen Klang,
Ob auch der Luzifer mir an der Schleppe hang.
In dem polit'schen Klub bin ich nicht leicht zu missen,
Der Liberalität bin doppelt ich beflissen;
Auch dem Servilen dien' ich selber ganz servil,
Und in dem Juste milieu bild' ich der Scheibe Ziel.
Louis Napoleon und Garibaldi wären
Verloren, müssten sie mein Kontingent entbehren.
Mit Schleswig-Holstein bin ich inniglich verbunden;
Mit Dänemark hab' ich mich niemals abgefunden.
Auch mit dem Bundestag mach' ich mir nichts zu schaffen,
Wohl aber mit dem Land der Laffen und Schlaraffen.
Der Friedenskonferenz des Kaisers bin ich fern,
Auch allen Königen und Fürsten, Grafen, Herr'n.
Dem Laien bin ich wie dem Klerus unentbehrlich,
Zwar kann ohn' mich besteh'n ein Christ, ich sag' es ehrlich,
Auch Jud', Heid', Türk' und Papst nur nicht der Muselmann.
Was fingen ohne mich Calvin und Zwingli an
Und Luther auch? d'rum bin zu Rom ich in dem Bann,
Obwohl der Katholik Ultrarnontan', mich hegt,
Und jeder Kardinal mich an der Schleppe trägt.
Im Kloster bitt' ich mich zu Gaste bei Prälaten. —
Dem Glaub' sitz' ich im Schoß. Nun mögt ihr glücklich raten,
Des Rätsels Ende ist der Lösung Anfang schon,
Ja, beides bin ich selbst, und ohne mich kein Lohn!

Lösung anzeigen

Der Buchstabe "L"

Anmerkungen

Hell: Damit ist wahrscheinlich Theodor Hell gemeint

Gessler: Hermann Gessler, Reichsvogt in Schwyz und Uri, Mythos aus der Tell-Legende [Wikipedia]

Juste Milieu: frz. "richtige Mitte", "Beibehalten des Mittelmaßes"

Verweise

Worträtsel, Hagenbach