Es wird Konzert gegeben
In einem großen Dom,
Nicht in Westmünsters Hallen
Und nicht im ew'gen Rom.
Der Dom steht ausgeschmücket
So feierlich und hehr,
Rings schwarze, wallende Tücher
An Kuppel und Wänden umher.
Das Publikum sich zeiget
In schwarzer Festestracht,
Und selbst der Tag, der heitre,
Erscheint im Kleid der Nacht.
Es wird im Dom geschlagen
Die größte Orgel heut
Vom größten Orgelschläger
In allen Landen weit.
Das Ohr vernimmt das Brausen
Der Orgel durch die Nacht,
Weissagende Melodien
Voll schauerlicher Pracht.
Doch ihre Riesenpfeifen
Schaut keines Hörers Blick,
Und nicht den Virtuosen,
Der entlockt die Wundermusik.
Und doch mit feurigen Fingern
Spielt dieser Orgelmann,
Dass Publikum schauert und zittert,
Schlägt er die Tasten an.
Schwer atmend, tief beklommen,
Ist jede Brust im Dom,
Als müsste sie untergehen
In der Akkorde brausendem Strom.
Und sterbend verklingen die Töne,
Die Stimme der Orgel ist stumm,
Und in milde Tränen zerfließet
Das ganze Publikum.
Gewitter
Der große Dom ist die Atmosphäre; die schwarzen, wallenden Tücher sind die dunklen Gewitterwolken; das Publikum sind Bäume, Häuser, etc., die wegen Lichtmangels schwarz erscheinen (»in der Nacht sind alle Katzen grau«); das Brausen der Orgel ist der Donner; die feurigen Finger sind die Blitze; die Akkorde des brausenden Stroms ist das Geräusch des Starkregens; die letzte Strophe beschreibt das ausklingende Gewitter, das in sanften Landregen übergeht.
Gedichte
von Wilhelm Zimmermann
Gedruckt bei Johann Gottlieb Munder
Stuttgart,
1832