Kein Haus ist's, wie man sonst sie schauet,
Und doch ein Haus ist's, wunderbar,
Kein Sterblicher hat es erbauet,
Doch stammt's von einem Menschenpaar.
Zu seinem Wohnsitz auserkoren
Hat sich das Haus ein fremder Herr,
Auf Erden ist so hochgeboren,
So reich und edel nichts wie er.
Zwei nervenvolle Hüter schützen
Das Haus, ein starkes Heldenpaar;
Zwei schön geformte Säulen stützen
Den Bau so zierlich, wunderbar.
Und Pforten führen sonder Gleichen
Durch seltne Gänge aus und ein,
Und alle Königssäle weichen
Der Kammern kunstgefügten Reihn.
Durch Fenster, glänzend schön wie Sterne,
Und heller als der Diamant,
Schaut, der's bewohnt, das Nah' und Ferne,
Und alle Herrlichkeit im Land.
Auf einer wundervollen Mühle
Da mahlen ihm, Jahr ein, Jahr aus,
Der blinkend weißen Müller viele
Den täglichen Bedarf ins Haus.
Doch hat der Hausherr es verlassen
So sinkt zur Erde das Gebäu,
Und traurig ziehet durch die Gassen
Ein dumpf verhallend Klaggeschrei.
Der menschliche Körper
Die nervenvollen Hüter sind die Hände; die schön geformten Säulen die Beine; die Pforten sind die diversen Körperöffnungen; die Fenster sind die Augen; die Mühle ist der Mund, der blinkend weiße Müller sind die Zähne.
Gedichte
von Wilhelm Zimmermann
Gedruckt bei Johann Gottlieb Munder
Stuttgart,
1832