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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 1993

von August Gottlob Eberhard

Rätsel

Nanettens Oheim kam zurück
von seiner langen Reise.
Johann empfängt ihn, wünscht ihm Glück,
und spaßt nach seiner Weise.
Allein Herr Hastig unterbricht
ihn schnell mit zwanzig Fragen,
und hört mit Wohlbehagen,
sein Nichtchen hab' ein Angesicht,
so schön, dass auch der Neid es nicht
zu tadeln könne wagen.
„Ei, sieh doch, wie beredt du bist!
Nur eins noch möcht' ich hören:
weiß Nettchen schon, wie schön sie ist?" –
„Das kann ich, als ein frommer Christ,"
versetzt Johann – „beschwören.
Zwar ist sie noch ein junges Blut,
doch dieses weiß sie schon recht gut."
Herr Hastig zieht die Stirn zusammen;
aus seinen Augen blitzen Flammen.
„Zum Henker! konnte denn mein Weib
ihr keinen bessern Zeitvertreib
als den von schmeichlerischen Laffen,
die nichts als Weihrauch streun, verschaffen?"–
„Gefehlt, Herr Hastig!" spricht Johann;
„Madam wies jeden aus dem Hause,
der zu des Nichtchens Ohrenschmause
das kleinste Schmeichelwort begann.
Nur Einer richtet Unheil an!
Doch Der ist einmal in dem Hause,
wird als Vertrauter angesehn;
Madam – das sag' ich ungelogen –
ist selber ihm nicht ungewogen,
und lässt es ungestraft geschehn,
dass er dem eiteln Nichtchen schmeichelt,
wenn diese mit ihm kost und äugelt,
und ihn um jedes Band befrägt,
das sie an Kopf und Busen trägt."
Herr Hastig bebt vor innrem Grimme,
und sagt, mit halb erstickter Stimme:
„So eil', und wirf den Schurken gleich
hinaus zum Fenster in den Teich!"
Er fasst den Stock, um auszuholen!
Mit Angst und Zittern eilt Johann .
die Wendeltreppe schnell hinan,
und tut, was ihm sein Herr befohlen. –
Indes tritt Nettchen in das Haus.
Sie hat von weitem schon vernommen,
der Oheim sei zurückgekommen.
Ihr kleinstes Wort drückt Jubel aus.
Zum Freunde will sie nur erst eilen,
ihm ihre Freude mitzuteilen –
allein wo ist der Teure hin? –
Sie klagt, mit heiß gerungnen Händen,
ihr Missgeschick den stummen Wänden,
und hört, mit halb verworrnem Sinn,
die böse, schreckliche Geschichte!
Der Oheim kommt und ruft: „Ich bin
der Feind des Schmeichlers meiner Nichte!"
Da eilt Nanette, blass und bleich,
hinunter an den Unglücksteich,
um ihrem Freunde nachzustürzen,
und ihren Jammer zu verkürzen.
Sie schwankt und sinkt – und fasst den Mut,
sich dicht an's Ufer hinzulegen,
und – lacht des Oheims strenger Hut,
denn schmeichelnd halt die klare Flut
ihr einen andern Freund entgegen.

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Verweise

Worträtsel, Eberhard, Schupp