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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 1712

von Gerhard Adam Neuhofer

Logogriph

Viel des Großen hat der Mensch erfunden,
Viel des Schönen hat sein Geist erdacht;
Kränze, von des Dankes Hand gewunden,
Wurden dem Erfinder dargebracht.
Ob der Mann, der mich zuerst ersann,
Auch wohl einen Siegerpreis gewann?
Längst schon ist sein Name hingesunken
In die Tiefen der Vergessenheit!
Und vielleicht, ach! wähnt' er wonnetrunken
Sich erhaben zur Unsterblichkeit,
Als, nach mancher schlummerlosen Nacht
Mühsam mich sein Schöpfergeist erdacht!
>Undank pflegt den Künstler oft zu lohnen,
Seinen Namen treibt der Strom der Zeit, –
Denkt die Unerbittliche ans Schonen? –
In die Tiefen der Vergessenheit!
Doch vergessen sei auch Nam' und Ort,
Lebt er nur in seinen Werken fort.
Mein Erfinder lebt, zwar keine Halle,
Stolzer Tempel, kein erhöhter Stein
Nennet ihn, jedoch in jedem – Stalle
Mut'ger Rosse wird sein Denkmal sein!
Ja sein Kunstwerk siehst du überall,
In des Fürsten, in des Bauern Stall.
Kannst du dich im Pech des Rappen spiegeln,
Glänzt der Fuchs, wie helles lichtes Gold; –
O so musst du seinen Ruhm versiegeln,
Weil das Werk dem Meister Ehre zollt.
Ich, ich war's, der diese Zierde gab: .
Denn ich glitt auf ihnen auf und ab.
Lenkt die Rechte meine scharfen Zähne:
Dann folgt streichelnd sanft die linke Hand,
Aber billig schon' ich Schweif und Mähne,
Weil man mich für diese nicht erfand»
Ich erfülle freudig meine Pflicht,
Und verdräng' und störe andre nicht!
Doch – so einfach und gering ich scheine,
Ich bewahre Dinge seltner Art,
Mausefänger heg' ich nicht alleine [1]
Schloss und Kerker wird durch mich verwahrt: [2]
Gold und Silber wird durch mich bewährt, [3]
Und die Spur, wo die Karosse fährt. [4]
Ich entscheide blut'ge Würgeschlachten, [5]
Eine ganze Festung liegt in mir; [6]
Will der Feind dein Ehrenwort nicht achten,
Sieh, so stell' ich Bürgschaft ihm dafür; [7]
Ich benenne, wer die Schlacht gewann, [8]
Und, wer vor dem andern sie begann. [9]
Ich, ich leite dich in jedem Hause,
Jedem Turme, hoch bis unter's Dach; [10]
Mönche üben mich in stiller Klause, [11]
Ich umschatte manchen Silberbach. [12]
Schwarz befiedert, und mit weißer Brust,
Flieg' ich, lerne plaudern dir zur Lust. [13]
Bier schaff' ich dem Brauer in die Tonne, [14]
Ich verkünde laut den Flug der Zeit, [15]
Alles nennt mich unter dieser Sonne,
Salomo in seiner Herrlichkeit: [16]
In mir ruht, was einst befiedert lebt, [17]
Was den Menschen übers Tier erhebt. [18]
Wer die Heimat über'n Sternen kennet,
Sieht des Lebens schönstes Bild in mir; [19]
Menschen, die man alt und kraftlos nennet, [20]
Selbst den Patagonen zeig' ich dir. [21]
Schmerzen schaff' ich, und bin doch nur Sand, [22]
Durch mich trägst du Blumen in der Hand. [23]
Sieh, so dien' ich in des Reiters Rechten
Auch als Sporn, der um die Ohren saust; [24]
Schiffe treib' ich, selbst bei dunkeln Nächten
Sicher, wenn nicht Sturm und Woge braust. [25]
Mit lebend'gem Raub' in beiden Klau'n,
Kannst du mich hoch in den Wolken schau'n. [26]
Sanft und stark ertonen meine Saiten,
In Apollos, in der Musen Hand; [27]
Öfters pflegt ein Landmann mich zu leiten,
Und ich diene, vor den Pflug gespannt: [28]
Auf mir nehmen Flotten ihren Lauf [29]
Und du drückst mich deinen Briefen auf. [30]

Lösung anzeigen

Striegel

Anmerkungen

Die ersten drei Verse würdigen den Erfinder dieses Logogriphs (= "ich").

Die nächsten drei Verse beschreiben das Lösungswort Striegel [Wikipedia], das als Grundwort für die Lösungswörter der folgenden Verse dient.

1. Igel, 2. Riegel, 3. Tiegel, 4. Geleis, 5. Sieg, 6. Eger, 7. Geisel, 8. Sieger, 9. Erste, 10 Stiege. 11. Regel. 12. Erle, 13. Elster, 14. Gerste, 15. Seiger, 16. Eitel, 17. Ei, 18. Geist (Seele), 19. Reise, 20. Greise, 21. Riese, 22. Gries, 23. Stiel, 24. Gerte, 25. Segel, 26. Geier, 27. Leier, 28. Stier, 29. See, 30. Siegel

Apollo war in der griechischen Mythologie u. a. der Gott der Künste, insbesondere der Musik, der Dichtkunst und des Gesangs. [Wikipedia]

Ein Patagone ist ein Einwohner Patagoniens, der Südspitze Südamerikas. [Wikipedia] Früher dachte man, dass dort Riesen wohnen würden.

Ein Seiger ist ursprünglich Stundenzeiger mit rinnendem Sand oder Wasser, dann auch auf Räderuhren übertragen. [Brockhaus-1911] Ein Seiger ist eine Turmuhr [Harder-1854] und daher laut (wenn sie schlägt).

Verweise

Logogriphe, Neuhofer