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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 1538

von Heinrich Möwes

Rätsel

Mit hellen, treuen Farben aufgetragen,
Steht's als Gemälde da auf duftigem Grund';
Wenn du es siehst, so wirst du ehrlich sagen:
Hier tut nicht Dichtung, hier sich Wahrheit kund;
Kein Malerpinsel kann je Kühnres wagen,
Als dieses Farbenspiel, so reich und bunt;
Du kannst davon nicht weichen, musst es schauen.
Und schaust jetzt mit Entzücken, jetzt mit Grauen -
Es hängt in einem wunderbaren Saale,
Den noch kein Sterblicher so ganz durchschritt;
Es ist verhangen, bis mit Einem Male
Es aus dem Dunkel vor dein Auge tritt;
Doch meist verbleicht's am hellen Sonnenstrahle
Und Tageslicht nimmt seine Farben mit.
Soll dich sein Glanz und Anblick lange laben,
So musst du dich in Finsternis begraben.
Der Meister von dem Bilde lebt auf Erden;
Sein Name ist euch Allen wohl bekannt;
Doch ließ ihn dieser Boden hier nicht werden,
Er stammt aus einem andern heil'gen Land;
Und zum Ersatz für irdische Beschwerden
Nimmt er dm Pinsel öfter kühn zur Hand,
Um an des Lebens ernste Schildereien
Ein heiteres Gemälde an zu reihen.
Sieh zu, wer ihm die Farben hat gerieben:
Ob es ein guter Geist, — ein böser tat;
Umfass' es nicht mit Tränen und mit Lieben,
Wenn schlau ein böser dienend zu ihm trat;
Was dann in seinen Zügen steht geschrieben,
Das ist verführerische Lügensaat; –
Doch stand mit einem guten er im Bunde,
So gibt er als Prophet die höhere Kunde.

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(unbekannt)

Verweise

Worträtsel, Möwes, Forum