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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 5056

von Heinrich Wilhelm Lehmann

Scharade (1+1 Silben)

Die erste Silbe ist in Rosenrot gekleidet
Und lieblich wie der Mai. Drum wird sie oft beneidet
Und den, der sie besitzt, beneidet man um sie,
Bis aller Zauber flieht, erst später oder früh.

Doch findest Du sie auch oft bleich sehr und gekrümmt;
Dann lächeln viele wohl, doch schwerlich dann erglimmt
In eines Menschen Brust darob ein Fünkchen Neid;
Doch der Besitzer ist ganz Lust und Fröhlichkeit.

Sie treibt den Menschen oft zu reger Arbeit an,
Sie macht ihn fromm, erhält ihn auf der Tugend Bahn;
Und doch verursacht sie Betrug und Streit und Mord,
Lockt von der Arbeit ab, reißt zur Verschwendung fort.

Sie dauert kurze Zeit, Minuten nur zuweilen;
Entstehn und Untergang wird angezeigt durch Zeilen.
Doch oftmals wird ihr auch ein ewig langes Leben;
Drum hat sie selber sich schon oft den Tod gegeben.

Die zweite Silbe zeigt Dir Hütten und Paläste,
Gebirge, Wald und Flur, Hof-Gala-Krönungsfeste,
Und andre Sachen mehr. Zu ihr stellt sich oft hin
Der Zwerg, der Hottentott und die Verbrecherin.

Sie kostet Dir oft Geld, sie wird umsonst zu Teil,
Sie dient der Wissenschaft und Kunst zum großen Heil.
Es leidet Ungemach gar oft, wer zu ihr eilt;
Ja! Manchem wird sogar ein Todesstoß erteilt.

Sie reicht uns Freuden dar, verschafft uns hohe Lust;
Mit Wonne füllet sie, mit Sehnsucht uns die Brust.
Auch traurig macht sie uns, geh'n wir nach ihr zum Tode;
O! wär' bei Dieben sie doch nicht mehr in Mode!

Bei ihr wird viel geschwatzt, gelobt auch und gehudelt,
Da hat bald dieser hier, bald jener dort gepudelt;
Doch wen's betrifft, der kann dabei der Ruhe pflegen,
Denn wem ist am Geschrei der Menge viel gelegen!

Das ganze Wörtchen wird in der Walpurgisnacht
Durch schwarze Zauberkunst und »Samiel hilf!« vollbracht.

Lösung anzeigen

Braut + Schau = Brautschau

Anmerkungen

pudeln: Beim Kegeln einen Fehlwurf machen

Samiel hilf: Diese Anrufung eines bösen Geistes stammt aus Johann Friedrich Kinds Text zu Carl Maria von Webers Oper »Der Freischütz« (1821). Aus Angst davor, bei einem Probeschuss zu fehlen, der über den künftigen Schwiegersohn des Erbförsters Kuno und damit über die Anwartschaft auf die Erbförsterei entscheiden soll, geht der Jägerbursche Max einen Pakt mit dem schwarzen Jäger Samiel ein, der ihm mit der Zauberkraft einer treffsicheren Freikugel helfen will.

Samael (Samiel) ist ein Erzengel der jüdischen und christlichen Mythologie und der Gnosis. Bei der Rebellion der Engel gegen Gott ist Samael der Anführer der rebellierenden Engel. Er gilt als Anführer der Teufel.

Der Freischütz ist in der Jagdmythologie ein Jäger, den der Besitz einer Freikugel zur völligen Treffsicherheit befähigt. Diese konnte er erwerben, indem er die Kugel an einem bestimmten Datum um Mitternacht an einem abgelegenen Ort goss oder indem er verborgen in der Kirche in einer Mitternachtsmesse, ohne zu schießen, auf die erhobene Hostie zielte und auf die Kugel ein Kreuz ritzte.

Was bedeute die zweite, dritte und vierte Strophe?

Verweise

Scharaden, Lehmann, Neue Räthsel