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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 1425

von Elise Sommer

Rätsel

Ich wandle hier und überall
Im waldumkränzten Blüten-Tal,
Ich irre dort am blauen Bach
Dir traulich durch die Fluren nach,
Ich lausche sinnig mit am Quell,
Bald schleich' ich, und bald schreit' ich schnell,
Du beugest dich zu Blumen nieder,
Dann beug' und heb' auch ich mich wieder.
Im Hain, wo Philomele schlägt,
Und sanfte Herzen tief bewegt,
Da wall' ich still und wall' allein,
Umarmt vom bleichen Mondenschein,
Und winde mich so traut und leis'
Ums weiß beblümte Blüten-Reis;
Dich drückt des Äthers bange Schwüle,
Dann wink' ich dir in meine Kühle!
Ich weile gern im Abendtau,
Und ruh' auf bunter Blumenau,
Und seh' es, wenn die Freundschaft weint
Um den entfernten teuren Freund,
Und blick' auf das Vergissmeinnicht,
Das stille Liebe heimlich bricht!
Du übst die schöne Tat verborgen,
Ich seh' sie heut', ich seh' sie Morgen!
Wie Heil'ge, wall' ich still dahin;
So feierlich mit ernstem Sinn;
Wenn hehr am Himmel Sterne stehn
Und Luna wallt um Blüten-Höh'n,
Der Wald sich in ihr Silber taucht
Und wie ein heil'ger Altar raucht,
Und ernst dir winkt zu süßer Trauer,
Erhöh' ich dir den heil'gen Schauer;
Ich rede nicht, doch ist mein Laut
Dem weichen Herzen wohl vertraut,
Und was ich rede wird ihm klar,
Und überall erschein' ich wahr.
Voll Sehnsucht blickt der Schmerz mich an,
Und hebt das Aug' zum Sternenplan;
Und will dem Gram das Herz erliegen,
Ein Blick auf mich hilft ihn besiegen!
Du wallst mit mir zum Leichenstein,
Da ist mein Vaterland im Hain;
Im Hain, wo stiller Friede wohnt,
Und Ruhe nun den Dulder lohnt;
Wo warnend jeder Hügel spricht:
Bis hierher nur, und weiter nicht;
Wo gleich dem Nebel Kronen sinken,
Da will auch dir zur Ruh' ich winken!

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(unbekannt) Der Schatten?

Anmerkungen

Philomele ist eine dichterische Bezeichnung für die Nachtigall. Philomele und Prokne waren Schwestern und Töchter des Königs Pandion von Athen, welcher die letztere dem thrakischen Fürsten Tereus zur Gemahlin gab, dem sie einen Sohn Itys gebar. Auf ihren Wunsch holte Tereus die Philomele von Athen ab, um sie zu ihrer Schwester zu bringen, entehrte sie aber unterwegs, und damit sie ihn nicht verraten könne, sperrte er sie ein und schnitt ihr auch noch die Zunge ab. Prokne aber gab er vor, Philomele sei unterwegs gestorben. Philomele stickte ihre Geschichte jedoch in ein Tuch und fand Gelegenheit, dieses ihrer Schwester zuzuschicken, von der sie hierauf an einem Bacchusfeste befreit wurde. Aus Rache fassten die Schwestern nun den unmenschlichen Vorsatz, den Itys zu schlachten und seinem Vater vorzusetzen, und während er noch davon aß, trat Philomele mit dem Kopfe seines Sohnes ins Gemach. Verfolgt vom Tereus ergriffen die Schwestern die Flucht, auf der Philomele in eine Nachtigall, Prokne in eine Schwalbe, Tereus in einen Wiedehopf, außerdem noch Itys in einen Fasan verwandelt und Philomele mit beständiger Schlaflosigkeit bestraft wurden.

Siehe auch Rätsel Nr. 1891.

Verweise

Worträtsel, Sommer