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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 10273

von Friedrich Wilhelm Gotter

Logogriph

Ich bin ein Wort, das auf vier Silben rollt,
und wenn ihr mich halbieren wollt,
kann jeder Teil für sich bestehen,
[1]enthalt ich (hütet euch, mich unrecht zu verstehen!),
was täglich der Natur zwier ein Gesunder zollt
[2]und was wir jeden Tag, wenn wir nicht blind sind, sehen.
Lasst ihr mich, wie ich bin, so wett ich, ihr entdeckt,
ohn' Ödipus' Verstand zu haben,
[3]dass ein Adverbium, [4]ein
Casus in mir steckt.
(Verzeihet einem dreißig Sommer alten Knaben
die Brocken Schullatein.
Die Muttersprache passt, trotz allen Dichtergaben,
hier nicht ins Silbenmaß hinein.)
Wenn ihr mich nun zerlegt, was liegt in mir begraben?
[5]Das Instrument, das weislich nie allein
sich hören lässt, [6]das Ross, worauf, bei Mondenschein,
zum Blocksbergball die Schönen traben,
[7]die Werkstatt, wo der Gott, der krause Stirnen schützt,
bei Jovis Donnerkeulen schwitzt,
indes die Götter sich mit seinem Weibchen laben,
[8]was man an einem Weg zu loben pflegt,
[9]und wie zur Braut der Bräutigam sich legt.
[10]Was sich bald sanft um eine Haube schmieget,
bald freier um den Busen flieget.
[11]Nicht minder, was der Kartenspieler liebt,
weil es dem Glück fast stets den Ausschlag gibt.
[12]Und wie man spricht, wann man auf etwas zeiget.
[13]Auch was der Klee, wann sich die Sonne neiget
und wann sie aufgeht, ist.
[14]Ein Zeitvertreib, bei dem die griechische Kokette
den Stutzer Griechenlands empfing
und mit soviel Dezenz doch alles vor sich ging
als in Paris bei der Toilette.
[15]Was ihr in eurem Stammregister zählt,
wofern es den Kollateralen
nicht ganz und gar an Weibern fehlt.
[16]Der Held, der laut der ältesten Annalen
ganz unbepanzert, ungestählt
sich gegen der Philister Macht empörte –
nein, nicht er selbst, der Stamm, dem er gehörte.
[17]Das Ding, bei welchem ihn ein Weib herumgeführt.
[18]Ein Name deutscher Komponisten,
den sicherlich in ihren Musterlisten
mit goldnen Lettern Fama führt.
[19]Was jedem Ding zu seiner Zeit gebührt.
[20]Und was, so lang ihm auch die Götter Leben fristen,
ein jeder Mensch, gerührt, am Rand der Gruft,
doch wenigstens zu einem Abgott ruft.
Erratet ihr mich noch nicht, lieben Leute,
so setzet euch, eh' ihr mir flucht,
zu dem, was ich unskelettierte bedeute,
und traun! ihr habt mich ungesucht.

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Abendessen

Anmerkungen

1. Essen; 2. As; 3. da; 4. des (?); 5. den; 6. Besen; 7. Esse; 8. Nase; 9. neben; 10. Band; 77: ?; 12. da; 13. nass; 14. Ba-Abend; 15. Basen; 16. Dan; 17. Bass; 18. Benda; 19. Ende (?); Ende;  (11) (20) ungelöst.

zwier = zweimal

Kollateralen = Verwandt der Seitenlinien

Benda: Franz Benda (1709-1786) war Geiger, einer der Hauptvertreter der Berliner Schule. Georg Benda (1722-1786) war Komponist und Hofkapellmeister in Gotha.

traun

Ödipus

Casus

Blockbergball

Philister

Dezenz

Jovis

Verweise

Logogriphe, Gotter