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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 9356

von Carola Koch

Rätsel

Zu Sais stand ein Götterbildnis,
So heilig, dass kein Priester es durft' schau'n,
Wer seinen Schleier lüpfte widerrechtlich,
Dem ward es ein Gericht voll Grau'n.

Solch' strenge Gottheit hat ein jedes Volk,
Zu der der Blick sich furchtsam hebt,
Die in sein Handeln und Bewusstsein
Die tiefe Scheidelinie gräbt.

Weh' dem, der an der Linie strauchelt,
Den Tod kann's bringen, ward sie nicht erkannt;
Seit Ur-Urzeit hat böse Menschenlüste
Die Göttin mit dem strengen Blick gebannt.

Der Gute trägt den Zwang und weiß es nicht,
Und freudig unterwirft sich eigne Natur.
Den Fessellos en nur bedrückt die Göttliche;
Wo wärst du ohne sie, o Menschenwerk, Kultur!

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Gesetz

Anmerkungen

Sais ist der griechische Name einer altägyptischen Stadt im westlichen Nildelta, im heutigen Gouvernement Kafr asch-Schaich. Nebet-Sau als Herrin von Sais ist seit dem Mittleren Reich als Hauptgöttin belegt. Sie war zumeist die Erscheinungsform der Neith, die hier auch einen großen Tempel hatte. Daneben ist im Neuen Reich auch Mut und in der Spätzeit Hathor als Herrin von Sais bezeugt.

Das verschleierte Bild zu Saïs ist ein klassischer Topos seit der Antike und frühen Aufklärung. Dabei handelt es sich um die verhüllte Götterstatue der Isis bzw. der Göttin von Sais, die schon in der Antike als die göttliche Verkörperung der Natur angesehen wurde.[1] Über dem Eingang ihres Tempels soll sich eine Inschrift befunden haben, welche je nach Autor etwa so lautete: »Ich bin alles, was ist, was gewesen ist und was sein wird. Kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.« [Friedrich Schiller, Vom Erhabenen (1793)]

Verweise

Worträtsel, Koch, Forum