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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 6486

von Ludwig von Wildungen

Anagrammoid

1. Teil

Bald, Brüder! braucht man kein Gewehr,
kein Ross und keine Hunde mehr!
Die Mode will, dass, statt der Hasen,
man Rätsel und Scharaden hetzt,
auch wird auf Federkielen jetzt
zur Logogriphenjagd geblasen;
da fließt kein Schweiß – den besten Schuss
belohnen Zuckerbrot und Kuss.

Ein Hauptwort, leichter zu erjagen,
als jetzt ein Hauptschwein, birgt sich hier!
Es nennt uns das, (viel mehr zu sagen,
verlangt ihr, hoff' ich, nicht von mir?)
womit in heißen Sommertagen,
wenn ihm der Jagden schönste glückt,
der frohe Weidmann stolz sich schmückt.

Ein starkes Rudel Wörter stecket
in Einem zwar; doch wer davon
ein Viertelhundert nur entdecket,
dem werd' ein schöner Bruch zum Lohn!

[1]Dem Wodan heilig, prangt darin
der deutschen Wälder Königin,
in einem Hohenlied besungen,
wie ihr zum Preis noch keins gelungen;

[2]daneben, dichter noch belaubt,
erhebt die Schwester auch ihr Haupt

[3]wenn wir, nach unsers Meisters Lehren, [*]
der Wut des scharfen Eisens wehren.

[4]Selbst manches wild' und zahme Tier
versteckt, dem Namen nach, das Wort:
Minervens ernsten Vogel hier,

[5]die borst'ge Frischlingsmutter dort;

[6]auch lehrt es männiglich genau,
wie man des edeln Söllmanns Frau
zu Döbels Zeit gewöhnlich nannte,

[7]und wie die kleine wohlbekannte,
so ems'ge Blumenfreundin heißt,
die oft mit süßer Kost uns speist.

[8]Es nennt die unterirrd'sche Veste,
wo Reinecke, der Gaudieb, haust,

[9]den Abgott dessen, der das beste
bei jedem Gastmahl gerne schmaust,

[10]was selbst des Jägers Falkenblick
beschränkt an herbstlich trüben Tagen,

[11]was zu der Leser Missgeschick
auch Stümper oft zu schreiben wagen,

[12]der Wiesen Schmuck, geerntet nun,

[13]den Ort, wo wir bei schwüler Hitze
auf einem weichen Rasensitze
in unserm Gärtchen gerne ruhn,

[14]die weite blumenreiche Flur

[15]und was sanft rieselnd sie erquickt,

[16]den schönsten Trieb in der Natur,

[17]der die, die Hymens Fessel drückt,
so süß, so innig nie entzückt,
[18]als jene Vögel, die im Schatten
des kleinen Lustwalds frei sich gatten.

[19]Auch Flüsse nennt es, (Einen nur
sollt ihr von Fünfen mir erraten:
den, der die Felder jährlich düngt,
an dessen Ufern manchen Braten
der Eiderriese froh verschlingt),

[20]die Stadt, die einst in frohern Zeiten
die Musen sich zum Wohnsitz weihten,
nun aber eine blut'ge Schlacht
der Nachwelt unvergesslich macht;

[21]die keuscheste der Götterdamen,
umgeben von der Sternenschar,
die, unter einem andern Namen,
stets das Idol der Jäger war

[22][23]und das berühmte Brüderpaar,
wovon der eine, wie wir klar
im ältesten der Bücher lesen,
des andern Mörder schon gewesen.

[24]Doch Pfui! in einem Scherzgedicht
erwähnt man toter Menschen nicht!

[25]Genießet, Brüder, vom Verenden
noch lange froh das Gegenteil
und reichlich müsse Weidmannsheil
Dianens Huld euch allen spenden.

2. Teil

siehe 7492

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Eichenlaub

Anmerkungen

*) Wer sollte wohl Witzlebens klassisches Werk: Ueber die rechte Behandlung u.s.w. nicht kennen? [Originalanmerkung von Wildungen]

1. Eiche; 2. Buche; 3. Beil; 4. Eule; 5. Bache; 6. Heila; 7. Biene; 8. Bau; 9. ?; 10. Nebel; 11. Buch; 12. Heu; 13. Laube; 14. Au; 15. Bach; 16. Liebe; 17. Ehe; 18. ?; 19. Nil; 20. ?; 21. ?; 22. Cain (Kain); 23. Abel; 24. Leiche; 25. Leben

Was sind die Lösungen zu 9, 18, 20 und 21?

1. Odin oder Wodan ist der Hauptgott in der nordischen Mythologie der eddischen Dichtung. Dort fungiert er als Göttervater, Kriegs- und Totengott, als ein Gott der Dichtung und Runen, der Magie und Ekstase mit deutlich schamanischen Zügen.

4. Minerva ist in der römischen Mythologie die Beschützerin der Handwerker und des Gewerbes, Schutzgöttin der Dichter und Lehrer. Minerva war die Göttin der Weisheit, der taktischen Kriegsführung, der Kunst und des Schiffbaus sowie Hüterin des Wissens.

6. Heinrich Wilhelm Döbel (* 1699; † 14. Juni 1759 in Schmerkendorf) war ein deutscher Jäger und Forstmann und Verfasser von jagd- und forstwissenschaftlichen Schriften.

6. Die altdeutschen Namen der Leithunde waren: Söllmann (Gesellmann) und Heila (Hela), auch Weckauf, Klopfan, Sultan &c. kommen vor. [Quelle: Franz von Kobell, Wildanger, https://www.projekt-gutenberg.org/kobell/wildangr/wild101.html ]

Quelle

Taschenbuch für Forst- und Jagdfreunde für das Jahr 1808 (1807), S. 141-143, Nr. 5.

Verweise

Anagrammoide, Wildungen, 7492