Wer
mich besitzt, hat mich dann nie gesehen,
Und wer mich sieht, besitzet mich nicht mehr;
Ich kann nicht laufen, fliegen oder gehen,
Doch keiner stellt sich meiner Macht zur Wehr,
Und schneller, wie des Sturmwinds tobend Wehen,
Führ' ich weithin dich über Land und Meer.
Die
ganze Welt gehorchet meinen Winken,
In niedern Hütten herrsch' ich, im Palast,
Zu Boden muss, wem ich mich nahe, sinken,
Doch bin ich Fürsten ein willkomm'ner Gast;
Der Bettler mag aus meinem Becher trinken,
Und nur die Liebe hat mich stets gehasst.
Ich bin
der beste zweier mächt'gen Brüder,
Mich liebt die Welt, doch er ist rings verhasst;
Flieh' ich auch jetzt dich, kehr' ich stets doch wieder,
Und angenehmer wird dir meine Last;
Doch er kommt einmal nur, und geht nicht wieder,
Wenn dich die Stärke seines Arms gefasst.
Umsonst
ist's, seiner Macht zu widerstehen,
Er reißt dich fort auf seiner raschen Bahn,
Und ich muss ewig dir zur Seite stehen,
Denn selbst bin ich dem Starken untertan;
Mich hast du dann zum letzten mal gesehen,
Und nimmer kann ich freundlich wieder nah'n.
Schlaf und Tod
Dr. Ferdinand Kämmerer: Poetische Versuche und Uebersetzungen
Erste Abtheilung: Poetische Versuche
Stahl, Darmstadt, 1813
Seite 142, Nr. 2