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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 4820

von Johann Gottlieb Münch

Scharade (1+2 Silben)

Ich bin ein Nichts, auch siehst du mich nicht,
Und dennoch vernimmst du mich durchs Gesicht.
Ich stelle dem Auge sichtbar dar,
Was kurz vorher unsichtbar war;

Und mache zugleich auch unsichtbar,
Was noch vor kurzem sichtbar war.
Ich trage den köstlichsten Balsam im Schoß,
Der macht die Wunden schmerzenlos;

Zum König hebt er den Bettler empor,
Dem Dürstenden setzt er Nektar vor.
Den Hungernden speist er mit köstlichem Mahle,
Den Liebenden führt er zum Hochzeitsaale.

Doch Schade! dass dieser Glücksgenuss
So lang nur währt, bis ich wandern muss;
Denn rastlos jagt mich vor sich mein Feind,
Der stolz in Siegespracht erscheint.

So flieh' ich eilends von Ort zu Ort
Landflüchtig und unstet immerfort.
Ich reise, bis wieder der Tag sich erneut,
Fünf tausend vier hundert Meilen weit.

Ein einziges Silbchen nennt mich nur,
Ich führte dich redlich auf meine Spur.
Das Zweite hat eine Silbe mehr,
Du findest es zu Land und zu Meer;

Ist leer und eitel und körperlos,
Aus diesem besteht das Erste bloß.
Es flieht mit ihm zwar immer weiter,
Doch ist es ein ungetreuer Begleiter;

Denn zeigt sich sein Feind dem Erdenrund,
So tritt es mit ihm in engen Bund,
Und trotz der ewigen Antipathie
Verschmilzt es mit ihm zur Harmonie,

Die, wenn sie die fertige Künstlerhand
In dauernde Fesseln vor dich hinbannt,
Dich täuschend bezaubert mit magischer Kraft,
Und dir das reinste Vergnügen schafft.

Es paart sich gerne mit Trug und Wahn,
Und zieht dich – schmachtest du – lieblich an;
Auch malt es, doch schwindend wie Nebel und Dunst,
Dein Bildnis ohne Hilfe der Kunst.

Mit unvernehmbarem Tritte schleicht
So lang es dir nach, bis sein Feind entweicht.
Das Ganze ist eines von Floras Kindern;
Soll sanft betäuben und Schmerzen lindern.

Lösung anzeigen

Nacht + Schatten = Nachtschatten

Verweise

Scharaden, Münch