Scharade in drei Sonetten
Ich schleiche faul daher auf meiner Bahn,
Und drohten mir auch mancherlei Gefahren,
Doch komm' ich dort nur an, wo andre waren,
Und tue das, was Andre schon getan.
Der Himmel möge Euch vor mir bewahren,
In Gnaden geh' ich einem Teil voran, –
Wie seltsam, trefft Ihr mich vor Mittag an.
So ist der Mittag schon davon gefahren.
Wenn ich vor irgend einem Bilde stehe,
So mach' ich's zur Kopie im Augenblick,
Und wenn ich einer Rede vorausgehe,
So bring' ich meistens Schaden, selten Glück;
Wirst du mit deinem Ruhme mich verbinden,
So werd' ich um dein Grab den Lorbeer winden.
Ich tue wohl von der Geliebten Händen,
Und wohler noch von ihrem Rosenmund,
Tu' ich mich dir auf dem Papiere kund,
Werd' ich auch Angenehmes oft dir spenden.
Ich tue weh' und mach' das Herz dir wund,
Wenn schwere Sorgen mich und Armut
senden,
Da musst du mir für kargen Sold verpfänden,
Was du geboren in der Weihe Stund'!
Oft schöne Bilder auch durch mich entstehen,
Die schöne Mädchen an dem Leibe tragen,
Und wenn Verliebte mich im Dunkel wagen,
Bin besser ich, als Worte, zu verstehen; –
Wo große Steuern sind, bin ich zu sehen,
Wer zu viel aß, dem komm' ich in den Magen.
Bin in den Reden Ciceros zu finden,
In andern Reden auch, die was bedeuten
Wer Etwas will bewirken bei den Leuten,
Muss mich mit seinen Worten klug verbinden;
Jedoch gehör' ich auch zu unsern Zeiten
Zu den geduldeten Entwendungssünden,
Wodurch man sucht Schriftstellern zu entwinden
Des Geistes Frucht, die mühsam sie erbeuten.
Ihr Götter, wollet im gerechten Grimme
Vernehmen lassen Eure Donnerstimme,
Damit die Schuld'gen auf ihr Antlitz fallen,
Ich selber muss aus Euern Worten schallen,
Soll mich die Schar der Diebsgesellen meiden,
Und so sich enden der Autoren Leiden.
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Verweise
Scharaden,
Castelli,
Castelli/03