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Rätsel und Puzzles

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Geistiger Vater einer ganzen Physikergeneration

Biographische Rätsel, 04/2000

Ein braves Kind war er, das wohlbehütet aufwuchs: Der Vater ein Physiologe, die Mutter Tochter eines reichen Bankiers. Er verlebte eine durchschnittliche Kindheit in der oberen Mittelschicht und stieg schließlich zu einem der bedeutendsten Physiker des 20.Jahrhunderts auf.

Seine Leistungen waren zunächst durchschnittlich. Lediglich an einigen Gemälden von Kinderhand ist einem späteren Kollegen eine "bemerkenswerte Genauigkeit" aufgefallen. Und derselbe Kollege erinnert sich auch, er habe ihm erzählt, "er hätte Schwierigkeiten gehabt, das Schreiben zu erlernen."

Vielleicht war es aber nicht so sehr das Schreiben an sich, sondern das Ringen um die richtige Darstellung und Klarheit, was ihn schon in jungen Jahren bremste. Immerhin ist bekannt, dass er auch als Wissenschaftler seine Manuskripte ein, zwei Dutzend Mal umschrieb und die Setzer und Drucker zur Weißglut brachte: Er bereicherte selbst noch die Korrekturfahnen um neue Ideen, die ihm in der Zwischenzeit gekommen waren. Seine Werke erschienen dann meist mit Verspätung in der Druckfassung - und nachdem er sie in halbfertiger Form bereits einem breiten Kollegenkreis zur Diskussion gestellt hatte.

Einer seiner Kollegen, der oben bereits zu Wort kam, kommentierte dieses Verhalten so: "Nicht umsonst liebte er sanfte Konturen, ich möchte fast sagen, er liebte den dänischen Nebel, und ich erwähne einen seiner bevorzug ten Verse: Nur die Fülle führt zu Klarheit, und im Abgrund liegt die Wahrheit." Soll heißen: Er war ständig auf der Suche nach Klarheit - Klarheit vor allem über die Quantenmechanik. Er selbst schrieb seinem Kollegen und Freund O. W. Richardson: "Du weißt ja, wie es geht, wie ich über meinen wissenschaftlichen Arbeiten Zeiten von überschäumendem Glück und von Verzweiflung durchlebe, mich einmal voller Kraft, einmal überarbeitet fühle, Schriften anfange, aber nicht veröffentliche, weil ich die ganze Zeit meine Ansicht über dieses schreckliche Rätsel der Quantentheorie ändere."

Dennoch kamen ihm beim Grübeln einige geniale physikalische Gedanken, die er auch erfolg reich zu Papier brachte. Der Weg dorthin führte über Ernest Rutherford, der den Gesuchten derart beeindruckte, dass er sich verschiedenen Messungen der Radioaktivität zu widmen begann. Im Labor des großen Experimentators stieß er dann auf die Aufgabe, ein Modell zu entwickeln, das die Stabilität von Atomen ebenso erklärte wie deren Durchmesser. Als ihm ein Kommilitone die Frage stellte, was denn dieses neues Modell über Spektren aussage, da fiel es unserem Physiker wie Schuppen von den Augen: "Sobald ich die Balmerformel ansah, war mir die Sache sofort klar", berichtete er später.

Und Einstein war begeistert: "Dass diese schwankende und widerspruchsvolle Grundlage hinreichte, um einen Mann mit dem einzigartigen Instinkt und Feingefühl des Gesuchten in den Stand zu versetzen, die hauptsächlichsten Gesetze der Spektrallinien und der Elektronenhüllen der Atome nebst deren Bedeutung für die Chemie aufzufinden, erschien mir wie ein Wunder - und erscheint mir auch heute noch als ein Wunder. Dies ist höchste Musikalität auf dem Gebiete des Gedankens." Neben bei bemerkt: Einstein mochte den gesuchten Physiker auch persönlich sehr gerne.

Besonders im Alter benötigte der Gesuchte zur Entwicklung seiner "Musikalität" nicht nur viel Papier, sondern auch viele Zuhörer: Er begann, wie Sokrates, seine Gedanken beim Reden zu entwickeln. Als Gesprächspartner dienten ihm vor allem seine Assistenten. Und deren Liste liest sich wie ein Who's who der damaligen Physik: Landau, Heisenberg, Dirac, Mott, Pauli, Gamow, Slater und Nishina, um nur einige zu nennen.

Wenn er nicht zu Hause diskutierte und über Physik philosophierte, dann war er auf Vortragsreisen. Häufig war er in Europa und den Vereinigten Staaten unterwegs. Hier konnte es auch einmal vorkommen, dass er sich im Kreise der Kollegen von einer ganz anderen Seite zeigte: Man beobachtete ihn beispielsweise, als er wie ein Wiesel über die Hügel von Los Alamos rannte. Da war er über sechzig Jahre alt - und hinter einem Fußball her.

Wer war der sokratische Fußballer, der den dänischen Nebel liebte?

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