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Rätsel und Puzzles

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Der scharfsinnigste Denker der Franzosen

Biographische Rätsel, 02/2000

Sein wichtigster Einfall war die Sache mit den kleinen luftgefüllten Figürchen, der Wasserflasche und der Schweineblase sicher nicht. Dafür waren die gläsernen Teufelchen eine ziemlich populäre Idee: Genau das Richtige für verspielte Physiker. Auch heute noch findet man die gläsernen Taucher in Spielzeugläden und in vielen Bücherregalen, meist zwischen Büchern über Astronomie, Quantenmechanik oder Relativitätstheorie.

Eigentlich ist dessen Erfinder aber wegen ganz anderer Überlegungen (oder, wie er schrieb: "meditationes") in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen, und außerdem nicht auf dem Gebiet der Physik. Schon eher muss man ihn zu den Mathematikern zählen. Obwohl: Richtig bekannt geworden ist er eigentlich als Philosoph. Vielleicht deshalb, weil sich seine philosophischen Ideen in einem wunderschönen kurzen Kernsatz zusammenfassen lassen. Dieser beschreibt sozusagen den Anfang allen Denkens (beziehungsweise allen Seins). Ein Blick in Meyers Konversationslexikon von 1905 nennt den Gesuchten den "scharfsinnigsten Denker der Franzosen". Sein Volk hatte jedoch nicht allzu viel von diesem Denker: Im Alter von 21 Jahren beschloss er, es sei an der Zeit, "das Buch der Welt zu lesen". Kurz entschlossen machte er sich nach seinem kurzen Studium der Rechtswissenschaften in Poitiers auf den Weg.

Zunächst ging er in den Kriegsdienst. Dadurch kam er erst nach Holland und dann nach Deutschland. Anschließend begann der inzwischen 23jährige mit Reisen durch ganz Europa: Er durch streifte Dänemark, Polen, Ungarn, Osterreich, Böhmen und wieder Deutschland, außer dem Italien und Frankreich. Schließlich ließ er sich - inzwischen 31jährig - im liberalen und vor allem protestantischen Holland nieder, um an seinen philosophischen Ideen zu feilen und vom Ererbten zu leben. Die Biografen sind sich nicht ganz einig, wie oft er in den folgenden zwei Jahrzehnten umgezogen ist: Von 13 bis 18 verschiedenen Wohnsitzen ist die Rede. Rastlos zog der Gesuchte in Holland umher, immer darauf bedacht, im Verborgenen zu leben. Nur gelegentlich reiste er nach England und Dänemark oder besucht für kurze Zeit Paris.

Die Gründe für das selbst gewählte Exil und die anonyme Veröffentlichung seiner Werke liegen wohl in der Angst vor Schwierigkeiten mit der kirchlichen Obrigkeit in seiner Heimat - schließlich waren seine Schriften nicht gerade das, was die strengen Katholiken Frankreichs gerne hören wollten. Sätze wie die folgenden zum Beispiel: "Ich muss, sobald sich Gelegenheit bietet, untersuchen, ob es einen Gott gibt, und wenn, ob er ein Betrüger sein kann. Denn solange das unbekannt ist, glaube ich nicht, dass ich über irgend etwas anderes jemals völlig gewiss sein kann". (Nach dieser skeptischen Vorrede findet er dann aber doch eine Reihe von Beweisen für die Existenz Gottes.)

Sein wichtigster Kontakt zur (französischen) Wissenschaftswelt war in diesen Jahren ein Jugendfreund und Pater, dessen Name ebenfalls in der Mathematik weiterlebt (und zwar in Zahlen der Form 2n-1, die besonders dann interessant werden, wenn sie prim sind.)

Ihm schrieb der Gesuchte viele seiner Ideen zu - zum Beispiel die, lateinische Buchstaben zur Benennung von Variablen zu gebrauchen: Bekannte Größen taufte er mit den ersten Buchstaben des Alphabets, unbekannte mit den letzten. Außerdem erfand er eine Regel, die es ihm ermöglichte, die Anzahl der positiven und der negativen Wurzeln einer algebraischen Gleichung aus den Vorzeichen der Koeffizienten zu erkennen.

Zwar hatte er so seine Schwierigkeiten, sich ein Koordinatensystem mit vier Quadranten vorzustellen - er nutzte denn auch nur den ersten Quadranten zwischen positiver x- und y-Achse -, dafür war ihm aber ein Funktionenbegriff geläufig, der dem heutigen schon sehr nahe kommt. Nicht nur die analytische Geometrie beschäftigte den Gesuchten: Er untersuchte auch geometrische Probleme von Apollonius bis Pappos und verfasste auf Französisch ein Handbuch der Geometrie. Das wurde mit Ergänzungen durch andere Mathematiker und nach einer Übersetzung ins Lateinische durch Frans van Schonten zum Standardwerk der damaligen Zeit.

Wer war der philosophische Zweifler?

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