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Humor und Satire

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Zur Genetik des schrägen Hangnagers

Wissenschaft

Prof. Lawrence M. Dill
Fakultät für Biologie
Simon Fraser Universität
Burnaby, B.C., Kanada

Der schräge Hangnager (Ascentus lateralis) ist ein einzigartiges Tier, das in den Berggebieten von Britisch Kolumbien beheimatet ist. Es besitzt auf einer Körperhälfte zwei verkürzte Beine, die es befähigen, auf hügeligem Gelände zu stehen und zu gehen. Auf diese Weise ist der Hangnaber ganz wunderbar an seine besondere ökologische Nische angepaßt.

In jeder Population von Hangnagern treten zwei unterschiedliche morphologische Typen auf. Einer hat die kurzen Beine auf der rechten Körperseite und kann auf diese Weise nur im Uhrzeigersinn um Berge herumlaufen. Der andere, der kurze linke Beine hat, kann nur gegen den Uhrzeigersinn laufen.

Diese beiden Typen sind keine verschiedenen Arten. Sie paaren sich oft untereinander. Das ist dann ein kompliziertes technisches Kunststück, weil sich die Tiere, nachdem sie sich aus verschiedenen Richtungen einander genähert haben, gegenseitig abstützen müssen, um die Kopulation zu bewerkstelligen. Solch ein komplexes Paarungsverhalten legt nahe, dass sich zwischen den beiden morphologischen Typen keine isolierenden Mechanismen entwickelt haben.

Zur Aufklärung der genetischen Grundlage dieses Dimorphismus wurden Laboruntersuchungen durchgeführt. Im folgenden wird nur eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse gegeben, weil in Kürze in "Acts Artifacta" ein ausführlicher Artikel erscheinen wird.

Die Morphologie und das korrespondierende Verhalten der Tiere wird von zwei Gruppen kodominanter Gene gesteuert, die beide zwei Allele besitzen. Das erste bestimmt, ob die Vorder- oder die Hinterbeine kurz sind: Die Homozygote AA bewirkt zwei kurze Vorderbeine, die Homozygote PP zwei kurze Hinterbeine; die Heterozygote AP ein kurzes Vorder- und ein kurzes Hinterbein. Das zweite Allel bestimmt, auf welcher Seite des Körpers die kurzen Beine auftreten.

Wenn sich zwei Tiere mit identischer Erbinformation miteinander paaren, so besitzt der gesamte Nachwuchs die gleiche Erbmasse. Jedoch gibt es genausoviele Fehlgeburten wie ausgetragene Junge. Eine Untersuchung ergab, dass bei den Fehlgeburten die eine Hälfte der Jungen zwei kurze Hinterbeine auf derselben Körperseite, die anderen zwei kurze Vorderbeine auf derselben Körperseite hatten. 50 % der Zygoten haben also einen Genotyp, der zu einer letalen Entwicklung führt, und die Tiere vermehren sich daher wie erwartet.

Im Gegensatz dazu führt die Paarung zwischen einem Individuum "im Uhrzeigersinn" und einem "gegen den Uhrzeigersinn" zu drei Phänotypen in der F1-Generation:

Anteil
in %   Phänotyp                             Genotyp
---------------------------------------------------
25     kurze Vorderbeine                       AADS
50     zwei diagonal versetzte kurze
       Beine ("Schaukler")                     APDS
25     kurze Hinterbeine                       PPDS

Bei den Züchtungsversuchen hatten die Schaukler eine F2-Generation mit vier Totgeburten, vier Schauklern, zwei Tiere entsprachen dem Elternteil "im Uhrzeigersinn", zwei dem Elternteil "gegen den Uhrzeigersinn", zwei Tiere hatten kurze Vorderbeine, zwei kurze Hinterbeine. Dies ist als der entscheidende Test unserer Hypothese zu betrachten, die wir für die Zusammensetzung der Erbmasse dieser Tiere vorschlagen.

Das Experiment konnte durchgeführt werden, nachdem man den Tieren spezielle Schuhe angepaßt hatte, weil sie sonst die Tendenz hatten umzufallen. Sie fielen entweder auf die Schnauze (und erstickten) oder auf das Hinterteil (und verhungerten). In freier Wildbahn wären sie schnell selektiert worden.

Das Verhalten von Tieren mit kurzen Vorder- oder Hinterbeinen ist von beträchtlichem Interesse. Die ersteren können nur bergauf laufen und stürzen dann leicht vom Gipfel in den sicheren Tod auf die Felsen darunter; die letzten laufen nur bergab und sammeln sich in den Flußniederungen. Man kann leicht zeigen, dass sie sich dort entsprechend den Mendelschen Gesetzen paaren, da sie in jeder Generation 50 % Fehlgeburten produzieren. Einige Experten der theoretischen Klassifikation vermuten, dass sie in der Evolution die Vorfahren der heutigen Hyänen sind. Dies würde für eine weite Verbreitung des schrägen Hangnagers auf der Erde in der Frühzeit sprechen. Die Reduktion des Verbreitungsgebietes könnte auf Grund der sehr hohen genetischen Belastung (eine entwicklungsbedingte Letalität), die von der Population getragen wird, erfolgt sein.

Aus "Journal der Unwiederholbaren Experimente", Frankfurt 1986, S. 10