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Humor und Satire

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Bericht aus dem Rechner

Computerwelt

Hallo, liebe Leute. Ich bin ein deutsches Shareware-Programm. Und heute erzähle ich Euch einmal ein bisschen was aus meinem Leben.

Mein Papa, der hat einen Computer in seinem Wohnzimmer stehen. Und abends, nach seinem Feierabend als Busfahrer, da hat er mich dann geschrieben. Dicke Bücher hat er dabei gewälzt, weil ich nicht immer so wollte, wie er sich das gedacht hat. Aber jetzt bin ich fertig. Ich bin ganz furchtbar wichtig für dieses Betriebssystem namens Windows. Da tausche ich bei jedem Rechnerstart das Hintergrundbild aus und mache den Bildschirm schön bunt für alle Leute, denen so langweilig ist beim Arbeiten mit doofen, großen Anwendungen.

Leider haben einige Leute Probleme mit mir, weil mein Papa vergessen hat, mir einige Laufzeitdateien beizulegen, die ich brauche, um zu funktionieren. Aber bei uns zuhause, da sind diese Dateien alle schon im Systemverzeichnis. Unvorstellbar, dass einige sie nicht auch haben. Da mein Papa der Beste ist, stürze ich gerne ab, wenn diese Dateien fehlen. Schließlich hätten sich die Leute besser auf mich vorbereiten können. Und damit es sich auch wirklich lohnt, stürze ich nicht alleine ab, sondern reiße all die großen Programme mit in den Keller. Hihi.

Ein paar User versuchen dann, mich wieder zu löschen. Aber da hat mein Papa vorgesorgt. Ich habe überall meine Krallen drinnen. Wird mein Stammverzeichnis gelöscht, so lebe ich eben im Systemverzeichnis weiter und hole in Zusammenarbeit mit der Registry die schönsten Fehlermeldungen auf den Bildschirm: Kann Programm X nicht finden und so etwas. Die Registry ist eh mein größter Freund, da kann man so toll Verstecken drin spielen. Dass einen keiner findet und so.

Jetzt ist mein Papa aber traurig. Weil keiner ihn bezahlen tut. Dabei hat er so viel Mühe in mich hineingesteckt. Und 50 Mark dafür, dass ich den Leuten so schön die Tapeten wechsle, das finde ich doch völlig okay. Ich meine, ich kann doch auch nicht umsonst arbeiten, oder?

Aber mein Papa, der ist schlau. Jetzt macht er mir lauter Geschwister, die auch ganz irre wichtig sind. Und damit es sich auch lohnt, macht er sie jetzt billiger, programmiert sie aber nur in der halben Zeit. Da ist es doch völlig klar, dass sie nicht so schnell arbeiten können wie ich. Müssen die dummen Leute eben mal ein paar Minuten warten, bis was passiert. Hätten sie meinen Papa gleich gut bezahlt, dann hätte er es nicht nötig, meine Schwestern so schnell zu programmieren.

Morgen komme ich ins Internet. Das ist lustig, weil im Internet, da sprechen alle Englisch. Zu dumm, dass ich nur deutsch verstehe. Da ärgert sich dann wieder einer, der mich aus dem Netz angelt und dann auch nicht verstehen kann. Leider kann mein Papa kein Englisch. Sonst hätte er mich ja gleich in Englisch machen können. Da drüben in Amerika sollen die Leute ja viel spendabler sein und mehr Programme wie mich kaufen. Na mal sehen, meint mein Papa, die Leute sollen ja keine Texte lesen, sondern Tapeten wechseln. Und wenn sie erst einmal herausgefunden haben, in welchem Submenü ich den dazu nötigen Befehl versteckt habe, dann kommen sie doch wohl auch bestens mit mir zurecht.

Obwohl: Ein wenig Angst habe ich ja schon. Im Internet soll sich eine Bande von Freeware-Programmen herumtreiben. Die sind von ihren Papas verstoßen worden, kosten kein Geld, können mehr als ich und haben auch alle ihre Runtime-Dateien im Rucksack. So was Doofes.


Aufgezeichnet von Carsten Scheibe