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Retroanalyse im Schach

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Problemschachliche Grundbegriffe

von Werner Speckmann

Die folgenden Erläuterungen zu den problemschachlichen Grundbegriffen – nicht spezifisch für die Retroanalyse – stammen aus der Feder von Werner Speckmann. Auf seiner Web-Site liegen viele seiner Texte PDF-Dateien zum Download bereit:

http://www.problemschachbuch.de/


Antikritischer Zug siehe Kritischer Zug

Auswahlkombination siehe Logische Kombination

Batterie Auf den gegnerischen König gerichtete Abzugskonstellation zweier Steine; wenn beim Abzug der aufgedeckte Stein selbst Schach bietet, so handelt es sich um eine direkte Batterie, deckt er dabei nur ein Fluchtfeld des Königs, um eine indirekte Batterie.

Beschäftigung (Beschäftigungslenkung) siehe Tempogewinn, Logische Kombination

Block Ein Stein kann ein Feld nicht betreten, weil es von einem Stein der eigenen (beim Bauern auch der gegnerischen) Partei besetzt ist; muss der geblockte Stein erst noch in den Bereich dieses Feldes ziehen, so handelt es sich um einen Fernblock. Die Aufhebung eines solchen Blocks durch Wegzug des blockenden Steins (evtl. auch dessen Schlagen) ist eine Entblockung.

Brennpunkte Eine langschrittige Figur hat Felder nach verschiedenen Richtungen zu decken; als "brennpunktartig" wird es hier bezeichnet, wenn (z.B. durch Verstellung oder Fesselung) in einer oder beiden der Richtungen statt eines Feldes eine Linie zu kontrollieren oder der Springer die deckende Figur ist.

Differenzierung von Drohungen Es drohen gleichzeitig mehrere Matts/Mattführungen; gegnerische Züge bewirken, dass jede der Drohungen zumindest einmal allein verwirklicht wird. Geht es um drei oder mehr Drohungen, so handelt es sich um das Fleckthema.

Drohung Ein Mattsetzung, die erfolgen würde, wenn Schwarz auf einen weißen Zug nicht zöge. Zu Varianten führen diejenigen schwarzen Züge, welche die Drohung parieren.  Ermöglicht der beliebige Wegzug eines Steins ein Matt, so spricht man von einer sekundären Drohung.

Dual (Trial, ...) In einer Variante (siehe Drohung, Zugzwang) führen zwei (drei, ...) weiße Züge nebeneinander zum Ziel; bei einer Drohung sind daher grundsätzlich nur gegnerische Züge zu berücksichtigen, durch welche diese pariert wird. Ein Dual kann je nach seiner Tragweite für die Aufgabe zerstörend, ihren Wert mehr oder weniger beeinträchtigen und auch belanglos sein.

Echomatts (Echowendungen) Ein Mattbild/eine Wendung ergibt sich mehrmals auf anderen Feldern; gelangt der schwarze König dabei auf Felder verschiedener Farbe, so spricht man von einem Farbwechsel- (auch: Chamäleon-) Echo; beim Achsenecho sind die Stellungen um eine Symmetrieachse gedreht, beim Reihenecho sind sie auf (orthogonalen oder diagonalen) Reihen nebeneinander angeordnet.

Fesselung (im engeren Sinne) Ein Stein kann ein Feld oder eine Linie nicht verlassen, weil er damit den eigenen König einem Schach aussetzen würde. Eine Selbstfesselung liegt vor, wenn die Fesselung durch einen eigenen Stein -- (direkt) durch den König oder den gefesselten, (indirekt) durch einen anderen -- herbeigeführt wird. Ein Fesselungsmatt ist ein Matt im Wirkungsbereich eines gefesselten gegnerischen Steins, der also ohne die Fesselung verteidigen könnte. Bei der Entfesselung wird eine Fesselung beseitigt, was direkt oder -- durch Unterbrechung der Fesselungslinie -- indirekt geschehen kann.

Fortgesetzter Angriff Der Wegzug eines Steins begründet eine Drohung, doch verbleibt dem Gegner eine Verteidigung; deshalb zieht der Stein so, dass auch auf diese Verteidigung ein Matt/eine Mattführung erfolgen kann. Außerdem gibt es die weniger markante Form mit gezieltem, in einem Hinzug statt im bloßen Wegzug bestehendem Primärangriff.

Fortgesetzte Verteidigung Der beliebige Wegzug eines Steins zur Abwehr einer Drohung (=Drohtyp) oder in Zugzwang (=Zugzwangtyp) führt zum Matt; diese "sekundäre" Drohung wird von dem Stein gleichzeitig mit abgewehrt. -- Es gibt beim Drohtyp auch die weniger markante Form mit gezielter, statt im bloßen Wegzug bereits in einem Hinzug bestehender Primärparade.

Führung siehe Logische Kombination

Kontraspiel Ein schwarzes Gegenspiel, das für den Vor- bzw. Mehrplan (mit-) bestimmend ist.

Kontrawechsel Zwei weiße Züge führen wechselseitig jeweils auf eine Entgegnung zum Matt und scheitern an der anderen; ermöglicht dann der Schlüsselzug beide male das entsprechende Matt, so liegt eine Kontrawechselkombination vor; dabei kann es sich um die Auswahl zwischen drei Zügen eines Steins oder (Kontrawechsel mit Umstellung) zwischen drei Zugpaaren von zwei Steinen handeln.

Kreuzschach Auf ein Schachgebot erfolgt ein Gegenschach, ohne dass der schachbietende Stein geschlagen wird; das Gegenschach kann ein Abzugsschach oder batterielos sein.

Kritischer Zug Schnittpunktüberschreitender Zug eines langschrittigen Steins, der dessen Verstellung auf dem Schnittpunkt ermöglicht. Antikritisch ist dementsprechend ein schnittpunktüberschreitender Zug eines Langschrittlers, der die Möglichkeit seiner Verstellung auf dem Schnittpunkt beseitigt. Die nähere Bezeichnung des jeweiligen Kritikus/Antikritikus bestimmt sich nach der Art der -> Verstellung.

Lenkung siehe Logische Kombination

Linienöffnung (Linienräumung): Der Sperrstein verlässt die Linie eines Langschrittlers bzw. den Bereich, in dem er diesen verstellt; das kann durch Wegzug von der Linie oder durch einen auf der Linie des Langschrittlers in dessen Zugrichtung (Bahnung) oder entgegengesetzt zu dessen Zugrichtung (Loyds Linienräumung/Turton) den Verstellungsbereich verlassenden Zug geschehen. Siehe auch Verstellung.

Logische Kombination In dieser erfolgt eine Verknüpfung von zwei oder mehreren Plänen.

Bei der Vorbereitungskombination scheitert die sofortige Ausführung eines Hauptplans an einem Hindernis, das deshalb zunächst durch einen Vorplan beseitigt wird. Je nach der Art des Hindernisses kann das dadurch geschehen, dass eine eigene Figur in eine für deren Partei günstigere Stellung oder dass eine Figur des Gegners in eine für diesen ungünstigere Stellung verbracht wird; im ersten Fall ist der Vorplan ein -- eine Führung bewirkendes -- direktes, im zweiten Fall ist er ein -- eine Lenkung bewirkendes -- indirektes Manöver. Eine Führung kann auch (so verhält es sich bei der Beschäftigungslenkung) mit Hilfe von Lenkungen erreicht werden, wie auch umgekehrt. Die Lenkung als Vorplan kann zur Folge haben, dass die gegnerische Verteidigung ersatzlos ausgeschaltet wird, sie kann aber auch eine neue (Ersatz-) Verteidigung derselben (= Römer) oder einer anderen (= Dresdner) Figur einschalten; war neben der guten ursprünglich auch eine schlechte Verteidigung vorhanden und bleibt nach Ausschaltung der guten diese bestehen, so handelt es sich zugleich um eine Beugung. Zur Beseitigung eines Hindernisses können mehrere Lenkungen/Führungen erforderlich sein.

Bei der Auswahlkombination verhält es sich so, dass zumindest zwei analoge Wege zur Erreichung eines Erfolgs -- den Grundplan -- zur Verfügung stehen, aber nur einer davon den zur Erreichung des Ziels erforderlichen zusätzlichen Erfolg -- den Mehrplan -- verwirklicht. Zumeist ist es ein in der Wahl zwischen zwei oder mehr Gegenzügen bestehendes Kontraspiel des Gegners, das die richtige Auswahl bestimmt. Die Versuche, den Hauptplan ohne vorherigen Vorplan bzw. den Grundplan ohne den Mehrplan auszuführen, sind die Probespiele; sie sollen (es ist dies das Gebot der -> Zweckreinheit) nur an dem thematischen Hindernis scheitern.
Logische Kombinationen sind auch die Systemverlagerung und die Systemauswahl.

Mattbild Hier unterscheidet man

Mattwechsel Auf denselben schwarzen Zug kommt es in zwei oder mehr Phasen (das sind Satz, Verführungen, Lösung) zu verschiedenen Mattzügen.

Opfer Zu unterscheiden sind

Ein dem König erbrachtes Opfer bezeichnet man (zusätzlich) als Hineinziehungsopfer.

Das Opfer kann jeweils direkt (der Opferstein stellt sich selbst ein) oder indirekt (auf andere Weise: ihm wird die Deckung entzogen ...) erfolgen.

Probespiel siehe Logische Kombination

Problemideen (Problemthemen) Bei dem problemhaften Geschehen in der Aufgabe kann es sich um einfache und auch um kompliziertere Vorgänge handeln. Soweit sich der Inhalt des Geschehens nicht mit einem kurzen Ausdruck kennzeichnen lässt, aber ein Bedürfnis nach einem zusammenfassenden Begriff besteht, ist man praktisch genötigt, künstliche Bezeichnungen zu wählen: gelegentlich trifft man hier bildliche Ausdrücke an; manchmal hat man dazu geografische Worte gewählt; zumeist aber verwendet man dafür den Namen eines Problemisten, der diese Idee (tatsächlich oder vermeintlich) erstmals dargestellt bzw. die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hat.

Römer siehe Logische Kombination

Sackmann Zusammengesetzte Hinführung einer Figur auf eine Linie, auf der die Auswahl zwischen mehreren im Übrigen gleichwertigen Feldern und daher der von der Figur dorthin einzuschlagende Weg dadurch bestimmt wird, dass auf einem dieser Felder ein zusätzlicher Erfolg erzielt wird.

Satz (Satzmatt) Das Spiel, welches sich ergibt, wenn man in einer Stellung, in der Weiß am Zuge ist, sofort Schwarz ziehen lässt. Führt dies auf jeden schwarzen Zug zum Matt, ist also ein vollständiger Satz gegeben, so liegt > Zugwechsel vor; aber auch der unvollständige und ein nicht zum Matt führender Satz ist oft (thematisch) von Bedeutung.

Schlüsselzug Der erste weiße Zug, nach dem auf jede schwarze Erwiderung das Matt spätestens in der angegebenen Zügezahl erreicht werden kann. Wo nichts anderes angegeben, darf nur ein Schlüsselzug vorhanden sein, anderenfalls ist die Aufgabe nebenlösig. Sind mehrere Schlüsselzüge beabsichtigt (=Mehrspänner), so wird dies bei der Forderung ausdrücklich vermerkt.

Schnittpunkt Ein Feld, auf dem ein Langschrittler durch einen anderen Stein verstellt werden kann; handelt es sich bei letzterem ebenfalls um einen Langschrittler, so sind auch wechselseitige Verstellungen, anderenfalls ist nur eine einfache Verstellung möglich.

Tempogewinn Im Vergleich mit einem anderen Vorgehen wird eine Stellung so erreicht, dass man selbst am Zuge ist; das Mittel zu dessen Herbeiführung ist die Beschäftigungslenkung.

Tempolenkung siehe Tempoverlust

Tempoverlust Im Vergleich mit einem anderen Vorgehen wird eine Stellung so erreicht, dass der Gegner am Zuge ist; herbeigeführt werden kann er durch die Lenkung einer gegnerischen Figur (Tempolenkung).

Varianten (Abspiele)
Die Verzweigungen der Lösung, die sich auf gewisse schwarze Züge (siehe Drohung und Zugzwang) durch verschiedene Fortsetzungen von Weiß ergeben.

Verführung Ein aussichtsreich erscheinender Versuch, das geforderte Matt auf andere als die beabsichtigte Weise zu erreichen. Die Verführung kann mit dem übrigen Inhalt der Aufgabe nichts oder wenig zu tun haben. Als "thematische Verführung" hingegen steht sie mit der Lösung (indem sie einen ihr analogen Versuch bildet, durch Mattwechsel u.a.) in gedanklichem Zusammenhang; bei logischen Kombinationen bezeichnet man die thematische Verführung als Probespiel.

Verstellung Im Problemschach spielen Verstellungen eine große Rolle. Sie sind sehr verschiedenartig und können für die verstellte Partei sowohl von Nachteil wie auch von Vorteil sein:

A. Verstellung der Wirkungs- bzw. Zuglinie einer Figur durch einen nicht auf dieser befindlichen Stein

I. Für die verstellte Partei nachteilig, und zwar

1. wegen Beschränkung der Wirkungskraft

2. wegen Einschränkung (Aufhebung) der Zugfähigkeit einer (eigenen oder generischen) Figur: (Seeberger-)Einsperrung:

II. Für die verstellte Partei vorteilhaft (nur mit Pattmotivation möglich), und zwar Verstellung einer eigenen Figur durch

1. Weiß zwecks Pattvermeidung

2. Schwarz zwecks Herbeiführung eigenen Patts: Selbst-(Kling-)Einsperrung

Sämtliche Verstellungen können durch Überschreitung des Schnittpunkts mit dem Sperrstein ermöglicht (= kritischer Zug) oder verhindert (= antikritischer Zug) werden. Der kritische Zug lässt sich mit dem Zusatz "Kritikus", der antikritische Zug durch Vorschaltung von "Anti-" kennzeichnen; für einige dieser Manöver hat man jedoch eigene Bezeichnungen: Seeberger (= durch kritischen Zug eingeleitete nachteilige Einsperrung), Inder und Cheney (durch kritischen Zug eingeleitete Anderssen-/Cheney-Verstellung), Kling (kritisch eingeleitete schwarze Selbsteinsperrung zwecks eigenen Patts).

Wird der Schnittpunkt nicht über-, sondern auf einer anderen (Parallel-) Linie umschritten, so bezeichnet man dies als perikritischen (antiperikritischen) Zug.

Ein Sonderfall ist der parakritische Zug (Fluchtschutz des Wirkungsobjekts).

B. Verstellung der Wirkungslinie einer Figur durch einen auf deren Wirkungslinie befindlichen Stein.

Hier handelt es sich bei den die Wirkungslinie in oder gegen die Zugrichtung der Figur freimachenden bzw. verstellenden Zügen um die Fälle der Bahnung/Verbahnung und Loyds Linienräumung/-verräumung (spezieller Fall: Turton/Anti-Turton).

Virtuelles Spiel So bezeichnet man im Gegensatz zu dem in der Lösung selbst stattfindenden (realen) Spiel das, was im Satz und in Verführungen geschieht; für den Inhalt der Aufgabe ist vielfach dieses virtuelle Geschehen von wesentlicher Bedeutung.

Zugwechsel (englisch "White to play"; ganz schlicht und damit am präzisesten die französische Bezeichnung "blocus complet") Auf jeden gegnerischen Zug liegt ein Matt/eine Mattführung bereit (=vollständiger Satz). Die Lösung kann -- durch einen Wartezug oder ein Wartemanöver -- diese Satzspiele ganz oder teilweise aufrechterhalten, also sich darauf beschränken, die Zugpflicht auf den Gegner abzuwälzen. Sie kann aber mangels einer solchen Möglichkeit auch darin bestehen, dass ein anderer Plan verwirklicht wird und dann zu geändertem oder/und zusätzlichem Spiel führen (u.a. bei gleich bleibendem gegnerischen Zug einen Mattwechsel zur Folge haben); der Schlüsselzug kann hier erneut Zugzwang herbeiführen, aber auch eine Drohung enthalten oder Schach bieten.

Zugzwang Es droht nichts, der Gegner gerät nur deshalb in Nachteil, weil er seiner Zugpflicht genügen muss. Varianten ergeben sich hier auf jeden (verschiedenartigen) schwarzen Zug. -- Praktisch die gleiche Situation ergibt sich bei Vorliegen einer nicht ausführbaren Drohung.

Zweckreinheit siehe Logische Kombination