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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 2013

von Wilhelm Zimmermann

Rätsel

Auf hohem Stängel glänzt die Rose,
Die Blumenfürstin der Natur,
Sie kennt das glücklichste der Lose,
Den heitern Lenz der Jugend nur,
Sie überlebt der Farben Licht,
Den süßen Ruhm der Schönheit nicht.

Das Licht nur kann die Schönheit malen,
Drum ringt sie los sich aus der Nacht.
Nur in der Sonne heißen Strahlen
Erschließt sich ihres Kelches Pracht.
Je schöner doch erglüht ihr Rot,
Je näher ist sie auch dem Tod.

Doch eine andre Rose blühet,
Die noch kein sterblich Auge sah,
Und eine andre Sonne glühet
Unsichtbar sichtbar fern und nah.
Die Ros' ist sie nicht irdisch, gleich,
Sie blühet doch im ird'schen Reich.

Sie wird vom Licht allein belebet,
Schnell stirbt sie ab am finstern Ort,
Drum gleich der ird'schen Schwester strebet
Nach oben sie zum Lichte fort,
Die Sonne ist ihr Mutterschoß,
Zur Sonne trägt sie einst ihr Los.

Wie sich die Blätter lieblich malen,
So gießt sich himmlisch aus ihr Duft.
Doch welkt sie nimmer von den Strahlen
Versenkt, wie jene, für die Gruft,
Je mehr sie Gluten in sich zieht,
Je schöner· auch ihr Leben blüht.

So duftet sie im ird'schen Garten,
Der ew'gen Sonne zugewandt,
Wo schon bestellte Geister warten,
Zu setzen sie in bessres Land,
Sobald die Hülle, die sie engt,
Die Blume ganz entfaltet sprengt.

Und kannst du mir die Ros' die blühet,
Und, die kein sterblich Auge sah,
Die Sonne nennen, welche glühet
Unsichtbar sichtbar fern und nah,
und ihn, der himmlisch füllt die Luft,
Der sonngetränkten Rose Duft?

Lösung anzeigen

(unbekannt)

Quelle

Gedichte von Wilhelm Zimmermann
Gedruckt bei Johann Gottlieb Munder
Stuttgart, 1832

Verweise

Worträtsel, Zimmermann, Forum