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Rätselgedichte, Rätselreime

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Rätselgedicht Nr. 1218

von Theodor Körner

Scharade (1+1 Silben)

An Prinzessin Marie Luise Pauline von Hohenzollern-Hechingen
Was ist so oft der Schädel der Sophisten,
Die sich mit hoher Götterweisheit brüsten,
Als könnten sie des Lichtes Urquell schau'n?
Was ist der Kern so mancher Lust des Lebens,
So manches stolzen, mühevollen Strebens?
Die erste Silbe wird es Dir Vertrau'n.
Doch, was die zweite Silbe Dir verkündet,
Dem hat kein Strahl des Lebens sich verbündet,
Kalt steht es da, wenn alles steigt und fällt.
Nur der Natur geheimes Walten
Wird es dem Forscher oft entfalten
Als stummer Zeuge der vergang'nen Welt.
Auf Felsenhöhen thront mein stolzes Ganze,
Blickt freundlich nach des Flusses Silberglanze,
Blickt in des Tales Zauberduft hinein.
Doch Schön'res noch, als all der Reiz der Fluren,
Zwei holde Wesen höherer Naturen
Schließt es beglückt in seine Mauern ein.
Ach! da ist all der Liebreiz schöner Seelen,
Und Stimmen, wie das Lied von Philomelen,
Vereinigt mit der zartesten Gestalt.
Und alles beugt das Knie zu Huldigungen,
Und jedes Herz, von süßer Macht bezwungen,
Erkennt der Schönheit heilige Gewalt.

Lösung anzeigen

hohl + Stein = Hohlstein

Anmerkungen

In älteren Ausgaben von Körners Werken steht als Widmung nur An Pr. v. H.

Hohlstein ist ein Schloss bei Löwenberg in Schlesien, im Besitz der Fürstin Pauline von Hohenzollern-Hechingen.

Philomele ist eine dichterische Bezeichnung für die Nachtigall. Philomele und Prokne waren Schwestern und Töchter des Königs Pandion von Athen, welcher die letztere dem thrakischen Fürsten Tereus zur Gemahlin gab, dem sie einen Sohn Itys gebar. Auf ihren Wunsch holte Tereus die Philomele von Athen ab, um sie zu ihrer Schwester zu bringen, entehrte sie aber unterwegs, und damit sie ihn nicht verraten könne, sperrte er sie ein und schnitt ihr auch noch die Zunge ab. Prokne aber gab er vor, Philomele sei unterwegs gestorben. Philomele stickte ihre Geschichte jedoch in ein Tuch und fand Gelegenheit, dieses ihrer Schwester zuzuschicken, von der sie hierauf an einem Bacchusfeste befreit wurde. Aus Rache fassten die Schwestern nun den unmenschlichen Vorsatz, den Itys zu schlachten und seinem Vater vorzusetzen, und während er noch davon aß, trat Philomele mit dem Kopfe seines Sohnes ins Gemach. Verfolgt vom Tereus ergriffen die Schwestern die Flucht, auf der Philomele in eine Nachtigall, Prokne in eine Schwalbe, Tereus in einen Wiedehopf, außerdem noch Itys in einen Fasan verwandelt und Philomele mit beständiger Schlaflosigkeit bestraft wurden.

Verweise

Scharaden, Körner